Edmund Erlemann

Edmund Erlemann / © Privat
Edmund Erlemann / © Privat

Kirche für kleine Leute

Damals, 1890, ging es um die Verelendung von Arbeitern in der Textilindustrie: Farben, Arbeitszeiten, keinerlei soziale Absicherung. Gegen all das ging der Volksverein, an der Spitze der Mönchengladbacher Textilunternehmer Franz Brandts und der katholische Priester Franz Hitze, vor.

Und bewegten viel: Sozialgesetze, Arbeiterschutzgesetze, Krankenversicherung, Sterbegeld, Abschaffung der Kinderarbeit, gaben den Arbeiterinnen und Arbeitern einen Platz in der Gesellschaft und sicherten sie ab.

Arbeit, Zukunft und Hoffnung für Tausende Menschen

Für Edmund Erlemann war dieser Volksverein Inspiration und Kompass zugleich. 33 Jahre lang war er Probst in Mönchengladbach. Er, der sich lange von der Kirche nur ein Arbeitergehalt auszahlen ließ, weil er alles im Verhältnis zu dem, was kleine Leute bekommen, unangemessen viel fand, wollte den Menschen am Rande eine Heimat, Arbeit und Zukunft geben.

Zusammen mit anderen gründete er den Volksverein neu.  Als Firma, als eine Fabrik mit Schreinerei, Ölmühle, Kleidershops, Haushaltswaren, Möbellager, Straßenreinigung. Um die 200 Mitarbeiter fanden Arbeit. Handwerksmeister rissen sich darum, Langzeitsarbeitlose und Sozialhilfeempfänger zu schulen. Tausende Menschen fanden eine neue Aufgabe, eine Perspektive, zurück in ein Leben mit einer Zukunft.

Und weil das alle noch nicht genügte, gründete er noch das TaK, den Treffpunkt am Kapellchen. Ein Haus, in dem er mit Schwestern des Steyler Missionsorden neben der kleinen Kirche, die Franz Brandt, der Gründer des Volksvereins bauen ließ. Hier fanden die Menschen, ob bürgerlich oder obdachlos, Raum für Kunst, Kultur und Spiritualität. In der Kapelle ließe Edmund Erlemann den Altar durch eine Werkbank ersetzen.

Die Wende

Das bedingungslose Dasein für die Armen war Edmund Erlemann  nicht  in die Wiege gelegt.  "Ich war ein dicker, konservativer Kaplan. Wollte Karriere machen. Als Professor. Oder als Bischof. " erzählt er. Aber dann als Kaplan kam er in ein Arbeiterviertel. Von allen Kindern und Jugendlichen in der Gemeinde schaffte in fünf Jahren ein Junge das Abitur.  Die Menschen lebten überwiegend zu mehreren Familien in einer Wohnung. Sie hatten Sorgen. Und Fragen. Aber die Antworten, die Edmund Erlemann hätte geben können, waren keine Antworten auf diese Fragen.

Das war die Wende. Edmund Erlemann war Priester geworden, weil er den Menschen Freude machen wollte. Also suchte er nach neuen Antworten. Auf die Fragen, die das Leben der Menschen wirklich stellte. Die Menschen flogen ihm zu. Was sich sein Leben lang nicht mehr änderte.

Gott ist wunderbar

Und das, obwohl Edmund Erlemann in dem Gott, von dem er in der Sendung sagte: Gott ist wunderbar, Zeit seines Lebens unbehaust. Fühlte sich in Gott und in der Welt unsicher. Was er auf frühe Kindheitserfahrungen im Krieg, als eine Posphorbombe das Fischgrätenmäntelchen des dreijährigen in Flammen setzte, zurückführte. Mit Romano Guardini hieß Glauben für ihn: "Meine Zweifel in Geduld zu ertragen".  Das tat er.

Eine Stadt verneigt sich

Bis er im November 2015, nachdem er sich gerade von einer schweren Krankheit erholt hatte, plötzlich starb. "Was für ein Mensch" titelte eine Zeitung. Busse, Straßensperrungen und Zelte wurden für Tausende Menschen für Gedenkgottesdienst und Beerdigung organisiert. 

Über den Gottesdienst stand das das Wort von Bertolt Brecht geschrieben stand, mit dem Edmund Erlemann 1970 schon seine Zeit als Probst vom Münster in Mönchengladbach begonnen hat:

"Ich will mit ihm gehen, den ich liebe./ Ich will nicht fragen, was es kostet./Ich will nicht nachdenken, ob es gut ist./Ich will nicht wissen, ob er mich liebt./Ich will mit ihm gehen, den ich liebe."

Edmund Erlemann hatte dieses Wort auch in die Sendung Menschen mitgebracht. Als wir darüber sprechen sagt er: "In meinem Leben geht es nur um die Liebe"

Eine Stadt, seine Stadt Mönchengladbach, verneigt sich vor Edmund Erlemann. Das domradio verneigt sich mit. Und wiederholt die Sendung Menschen mit Edmund Erlemann vom 12.02.2011, der von sich sagte: "Ich will nur ein Mensch werden."