Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 94 Jahren in München. Der gebürtige Göttinger prägte über Jahrzehnte die deutsche Sozialdemokratie. Der in zweiter Ehe verheiratete Vogel lebte zuletzt mit seiner Frau in einem Münchner Seniorenstift. Er war an Parkinson erkrankt.
Mit 34 Jahren wurde Vogel 1960 in München jüngster Oberbürgermeister einer europäischen Millionenstadt. Er trug dazu bei, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen. Wegen heftiger Auseinandersetzungen mit der SPD-Linken warf er das Handtuch und ging in die Bundespolitik.
In der sozialliberalen Koalition diente er unter Willy Brandt und später unter Schmidt in Bonn als Bau- und Justizminister. Vor der härtesten Bewährungsprobe stand Vogel als Justizminister - gemeinsam mit Kanzler Helmut Schmidt und anderen - während der Zeit des RAF-Terrorismus. "Die schwierigste Entscheidung, an der ich beteiligt war, war die Entscheidung nach der Entführung von Hanns Martin Schleyer und nach der Entführung der Landshut", sagte er.
Seine eigenen Ambitionen als Kanzlerkandidat musste er nach der Wahlniederlage 1982 gegen Helmut Kohl (CDU) begraben. 1981 war er für kurze Zeit Regierender Bürgermeister von Berlin. Als Fraktionschef im Bundestag und Parteivorsitzender bekleidete er aber noch bis 1991 Spitzenämter in der SPD. Sein jüngerer Bruder Bernhard Vogel machte derweil Karriere in der CDU und war unter anderem Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und später in Thüringen.
Der Katholik Vogel galt in der SPD als Urgestein und Parteisoldat mit starken moralischen Grundsätzen. Verspottet wurde er als Pedant mit der Klarsichthülle. Bis zuletzt engagierte sich Vogel gesellschaftlich, unter anderem als Gründungsvorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen - Für Demokratie". Zu Tagungen der Katholischen Akademie in Bayern kam er gerne und beteiligte sich an aktuellen Debatten. Als Katholik und Jurist hielt der SPD-Politiker das Staat-Kirche-Verhältnis in Deutschland für gelungen, wie er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) einmal sagte. Es sprächen gute Gründe dafür, daran festzuhalten. Dabei schließe er die Kirchensteuer und die "aus der Weimarer Verfassung übernommenen Regelungen des Grundgesetzes" mit ein. (KNA / 26.07.2020)