Hermann Schulz

Hermann Schulz / © Fritz Kohmann
Hermann Schulz / © Fritz Kohmann

Hermann Schulz holt mich in Wuppertal, wo er seit über 50 Jahren lebt, vom Bahnhof ab, und bringt mich in sein zu Hause. In dem es ganz genau so aussieht, wie man es von einem Schriftsteller und Verleger erwartet: überall stapeln sich Bücher. Eigentlich ganz gut sortiert.

Das Versprechen, dass dieses Leben einen Sinn hat und immer gut aus geht

Aber während Hermann Schulz einen Kaffee für uns kocht, bekommt er eine sms von seiner Tochter. Hermann Schulz hatte diese gebeten, ihm ein Buch zu besorgen. Die sms lautet: "Schau unter G in dein Regal,  da steht es". "Nein", lacht Hermann Schulz herzhaft , "niemals." Dann aber geht er doch ans Regal. Drei Sekunden später lacht er, das Buch in der Hand haltend, lauthals.

Angefangen vom Haus selber, dass er von einem Künstlerehepaar in einer berührenden Situation übernahm, über Bücher, Bilder, Gegenstände -  zu allem, wirklich allem, hat Hermann Schulz eine Geschichte zu erzählen: die Tischdecke ist aus Flachsgarn von seiner Großmutter gewebt worden, seine Schwestern haben die Leinenstoffe mit feiner Häkelspitze zusammen gefügt. Das tönerne kleine Kaltblutpferd hat ihm der Freund und preisgekrönte Illustrator Wolf Erlbruch getöpfert - und Giaconda, für Giaconda Belli die große Schriftstellerin, darauf eingeritzt. Und am Tischende thront: der "gute Hausgeist". Eine kleine magische Holzfigur aus dem Kongo, die in der Mitte ein Loch hat, welches für den" Eingang in die Ewigkeit" stehe.  "Was immer man darunter versteht - ich empfand das als ein Versprechen. Das Versprechen, dass dieses Leben einen Sinn hat und immer gut ausgeht."

Sehnsucht nach dem Leben

Danach, dass das Leben von Hermann Schulz gut ausgeht, sah es am Anfang nicht aus: Hermann Schulz wurde als viertes Kind eines Missionars in Afrika geboren. Kurz danach starb sein Vater, seine verwitwete Mutter musste die vier Kinder in Deutschland in großer Armut großziehen. Hermann Schulz bekam Kinderlähmung, war unterernährt, litt unter der harten Erziehung seiner Mutter. Verwandte im Wendland nahmen ihn auf und retteten ihm das Leben.

Hermann Schulz ließ dieses Leben so bald er konnte hinter sich, heuerte als Jugendlicher auf dem Schiff an, bereiste die Welt. Übernahm schließlich den frommen Peter Hammer Verlag von Johannes Rau, dem späteren Bundespräsidenten. Verschrieb sich dem Verlagsabenteuer mit Haut und Haar, machte aus einem kleinen evangelischen, einen großen internationalen Verlag.  Z.B. reiste Hermann Schulz, der jeden Autor persönlich treffen wollte, 1969 auf der Suche nach Ernesto Cardenal, nach Nicaragua. Treffen wollte er ihn wegen seiner Psalmen und weil "er so wunderbar von der Sehnsucht, nach dem Leben Gott zu spüren, erzählen kann." Den Ruhm der weltberühmten Psalmen von Cardenal begründete Hermann Schulz, in dem er diese entdeckte und verlegte.

"Nicaragua ist das Land in dem ich, nach Deutschland, die meisten Freunde habe."Jahrzehntelang hat Hermann Schulz die Entwicklung des Landes begleitet, engagiert sich in der Freiheitsbewegung. In der Sendung erzählt Hermann Schulz ausführlich, mit welch brutaler Gewalt Präsident Ortega, der früher zu den Hoffnungsträgern der Bevölkerung gehörte, die Menschen heute überzieht. Revolutionäre könnten genauso korrupt sein wie alle anderen, Nicaragua sei ein "Lehrstück für alle Demokraten, dem Machtvirus widerstehen nur die Wenigsten."

Geschichten so erzählen, dass es Glück geben kann

Erst spät im Leben ist aus dem Verleger Hermann Schulz der Schriftsteller geworden, bald 60 Jahre wurde er da alt. Aber seitdem hat Hermann Schulz nicht mehr mit dem Schreiben aufgehört. Bilderbücher, Kinder- und Jugendromane, Romane für Erwachsene - weit über 20 Bücher hat Hermann Schulz in 20 Jahren geschrieben, sie sind in viele Sprachen übersetzt und viele davon sind ausgezeichnet worden.

Seit kurzem ist Hermann Schulz auch Dr. der Philosophie. "Das ist seltsam für mich, der ich doch, als der Schulverweigerer, der ich war, nur mit Ach und Krach die mittlere Reife geschafft habe." Ich finde das gar nicht so seltsam: atmen die Geschichten von Hermann Schulz doch jene Wärme, die ein jeder Mensch braucht, wenn sein Leben gelingen soll - und gelingendes Leben hat viel mit Philosophie zu tun. Glück auch. Hermann Schulz will im Vertrauen darauf erzählen, dass es weiter geht, "dass es Glück geben kann."

Viele Geschichten will Hermann Schulz noch erzählen. Bleibt mir nur neben dem Glückwunsch zum runden Geburtstag, der Wunsch, dass Hermann Schulz alle Zeit der Welt haben möge, um alle Geschichten, die noch in ihm wohnen, aufzuschreiben. Viel Freude beim Hören!