Kardinal Philippe Barbarin war von 2002-2020 Erzbischof von Lyon. Damit trägt er zugleich den seit 1079 bestehenden historischen Ehrentitel "Primas von Gallien". Philippe Xavier Christian Ignace Marie Barbarin wurde am 17. Oktober 1950 im marokkanischen Rabat geboren und nach dem Studium der Philosophie und Theologie im Großraum Paris 1977 zum Priester geweiht. Danach arbeitete er zunächst in Pariser Vorortgemeinden und auf Madagaskar.
1998 wurde er zum Bischof von Moulins in Zentralfrankreich ernannt. Kurz darauf erregte Barbarin Aufsehen mit einem Interview, in dem er den Pflichtzölibat für Priester in Frage stellte. 2002 wurde er als Nachfolger des verstorbenen Kardinals Louis-Marie Bille mit nur 51 Jahren Erzbischof von Lyon; seit 2003 gehört Barbarin dem Kardinalskollegium an. 2012 sorgte er mit kritischen Äußerungen zum Adoptionsrecht für Homosexuelle sowie zur "Homo-Ehe" für eine Kontroverse.
Barbarin nahm 2013 an der Papstwahl von Franziskus teil. Im Sommer 2013 erlitt er auf der Reise zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro einen Herzinfarkt. Seit 2016 steht der Primas wegen Vertuschungsvorwürfen in mehreren Fällen sexuellen Missbrauchs in den Schlagzeilen. Im August 2016 stellte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen in einem Fall ein.
Im März 2019 befand ihn ein Lyoner Gericht in erster Instanz der Nichtanzeige sexueller Übergriffe für schuldig und verurteilte ihn zu sechs Monaten Bewährungsstrafe. Zehn ehemalige Pfadfinder und mutmaßliche Missbrauchsopfer des Priesters Bernard Preynat traten als Nebenkläger auf.
Barbarins Anwälte legten Berufung ein. Sein Angebot zum Amtsverzicht nahm Papst Franziskus nicht an. Bis zum Abschluss des Verfahrens gelte die Unschuldsvermutung, so der Papst. Dann sprach das Berufungsurteil in Lyon Barbarin frei. Am 6. März 2020 hat Papst Franziskus den Amtsverzicht von Barbarin doch angenommen.
Nach seinem Rücktritt als Erzbischof von Lyon ist Kardinal Barbarin als Seelsorger in der Bretagne tätig. (KNA / 02.10.2020)