Karlheinz Geißler

Karlheinz Geißler / © privat (ak)

Karlheinz Geißler treffe ich in München. Der Zug hat Verspätung, im HBF in München gibt es Sperrungen und der Weg mit S- und U-Bahn ist unerwartet kompliziert. Normalerweise würde ich jetzt in Stress ausbrechen. Dass ich heute entspannt bleiben kann, habe ich meinem Gast zu verdanken. Denn der Zeitforscher Karlheinz Geißler wendet seine Zeitforschungen durchaus auch auf sein Leben an.

Zeitraum statt Zeitpunkt

Deswegen gibt es nur einen Termin pro Tag und auch nur Zeitraum-Verabredungen, keine Zeitpunkt-Verabredungen. Gut für mich, wir sind gegen 12 Uhr verabredet und als ich um zwanzig nach zwölf ankomme, heißt mich Karlheinz Geißler entspannt willkommen.

 „Es sind ja die Erwartungen der Anderen, die uns stressen“, sagt Karlheinz Geißler, als ich ihm für die entspannte Zeitraum-Verabredung danke. Das Leben lasse sich nicht einfach nicht kontrollieren, wie wir das oft wollten.

Eine knappe Stunde Zeit haben wir jetzt. Für die Zeit. Ob ich eine Antwort auf die große Frage bekomme, was Zeit eigentlich ist? Karlheinz Geißler zögert und lacht. Ob er antwortet, finden Sie in der Sendung heraus.

Opfer der letzten Pandemie

„Ich bin ein Opfer der letzten Pandemie vor Corona“, erzählt Karlheinz Geißler. Mit vier Jahren ist er an Kinderlähmung erkrankt, war ein Jahr im Krankenhaus und musste fortan „den aufrechten Gang immer neu erlernen“.

Weil sich Karlheinz Geißler „durchs Leben hinken“ musste, musste er auch von klein an seine eigene Zeitrechnung aufmachen: „ich konnte nicht schneller machen“. Im Gegenteil, Karlheinz Geißler war gezwungen, jede Unebenheit im Boden zu bemerken und immer Auswege finden. Z.B. grundsätzlich einen Zug früher zu fahren.

Die Erfindung der Uhr war der Beginn des Kapitalismus

Diese Notwendigkeit mit einer eigenen, langsameren Zeit zurechtzukommen, hat Karlheinz Geißler letztlich in die Wissenschaft und die Erforschung der Zeit geführt. Unsere gemeinsame Zeit reicht, für einige, wirklich spannende Ergebnisse.

So erfahren Sie, was die Erfindung der Uhr im 14. Jahrhundert mit Kapitalismus und Klimakatastrophe zu tun hat. Oder auch, warum die Maxime „Zeit ist Geld“ uns das Leben schwer macht.

Karlheinz Geißler freut sich, dass sein vorletztes Buch, zusammen mit Harald Lesch und seinem Sohn Jonas, es auf die Spiegel Bestseller Liste geschafft hat. Vielleicht macht es seinem Titel „Alles eine Frage der Zeit“ ja alle Ehre. Der Zusammenhang von "Zeit ist Geld" und Klimakatastrophe ist darin jedenfalls sehr eindrücklich und leicht verständlich beschrieben.

Es ist an der Zeit, dass nicht nur das Geld, sondern auch die Natur Zeit bekommt. Und nur dann haben wir Menschen am Ende doch noch: Zeit auf dieser Erde.