Stephanie Brall

Stephanie Brall / © Angela Krumpen (ak)

Als ich in Hildesheim zu tun habe, frage ich sie, ob sie Zeit hat. Hat sie. Wir verabreden uns, sie lädt mich in ein Ladenlokal in der Innenstadt ein. Stephanie Brall hat das Lokal extra für mich mit ihren Karten und Kalendern hergerichtet. Das Gespräch läuft dann ganz anders, als erwartet. Wir reden wenig über ihre Fotos. Und viel über ihre Geschichten. Und über das Buch der Bücher, die Bibel.   

Wir werkeln und worteln. Und freundeskreisen.

"Das Ladenlokal ist ein Tausendsassa. Hier machen wir das Wortlabor, da gibt es Wortfetzen aus Gedichten und Fotografien. Wir werkeln und worteln" versucht Stephanie Brall ihre einmal im Monat stattfindenden Veranstaltungen zu beschreiben. Stephanie Brall erfindet viele Verben, die ihre Sprache so eigen wie lebendig machen. "Wir freundeskreisen, gehen Geschichten auf den Grund, auch der eigenen."

Mich interessiert, woher ihre Liebe zu den Worten und den Geschichten kommt. "Damit bin ich aufgewachsen, mir wurden von Anfang an Geschichten erzählt. Sobald ich lesen konnte, habe ich stapelweise Bücher ausgeliehen, sobald ich schreiben konnte, selber Geschichten geschrieben: Tagebuch, Karten und Briefen."  

Die Dinge erzählen lassen

Irgendwo habe ich den Satz über sie gefunden: "In ihren Wortbildern, Geschichten und Soundcollagen feiert Stephanie Brall die kleinen und großen Augenblicke des Lebens und entdeckt wunderlich Wunderbares". Und was sind das für Augenblicke, die sie feiern möchte? "Die Augenblicke, die sich mir schenken. Ich fange sie mit Stift und Kamera auf. Wenn z.B. auf dem alten Holztisch meines Mannes, den er von seiner Uroma hat, die Sammeltassen stehen, die ich von meiner Uroma habe. Jede hat ein anderes Muster. Dann mache ich daraus ein Wortspiel, mit Doppelpunkt einander (also: mit:einander) und feiere das Zusammentreffen von zwei Familien."

"Wir verdanken unser Leben auch denen, die vor uns da waren. z.B. denen, die diesen Tisch und diese Tassen durch einen Krieg gerettet haben. Und heute stehen sie in dieser Wohnung, und es ist ein Miteinander von Zeiten und von Menschen, die wir erleben würden." Das ist aber noch nicht alles. Damit ist zwar der Moment eingefangen und gefeiert. Aber Stephanie Brall will mehr.  Sie will, dass "die Menschen, die diese Karten nutzen, diesen Raum ganz neu füllen. Und das tun sie. Das bewegt mich."

Mein Herz ist umgestürzt

Wir sprechen über viele Dinge. Postkarten und Kalender, kleine Veranstaltungen, wie das "Wortlabor" im Ladenlokal oder die "Lichtungen" in großen Kirchen: fünf Stunden lang kommen viele  Hundert Menschen, werkeln und worteln, hören Texte und Lieder.  Und immer wieder Geschichten aus der Bilder. Warum?

"In diesem Buch der Bücher finden mich Geschichten. Sie lesen mich durch alle Zeiten, ich fühle mich gelesen."  Wow, was  für eine iinteressante Perspektive: sich von der Bibel gelesen fühlen, während man sie liest. Die Nähe zur Bibel kommt aus dem Elternhaus: "Die Bibel spielt von klein auf eine Rolle, mein Vater und mein Großvater waren Pastoren." Eine Lieblingsstelle in der Bibel für Stephanie Brall ist Hosea 11:8: Mein Herz ist umgestürzt. Alle meine Barmherzigkeit ist entbrannt, heißt es da. "Mich bewegt das, mich bestürzt das, mich rührt das." Und was genau brennt da für sie?

"Das Leben, die Liebe, ein Geheimnis."

Angela Krumpen