Papst Benedikt XVI. verurteilt den Kindesmissbrauch durch Priester - Bonner Rektor zurückgetreten

"Rechte und Liebe der Kinder nicht herabmindern"

Im Skandal um den Missbrauch von Kindern an deutschen Jesuitenschulen hat sich Papst Benedikt XVI. zu Wort gemeldet. Bei einer Audienz für Mitglieder des Päpstlichen Familienrats verurteilte das katholische Kirchenoberhaupt die Taten. Vertreter der Kirche hätten gegen die Rechte von Kindern verstoßen.
"Die Kirche wird auch künftig nicht versäumen, ein solches Verhalten zu verurteilen." Indes trat am Montag der Rektor des Aloisiuskollegs in Bad Godesberg, Pater Theo Schneider SJ, zurück.

 (DR)

"Jesus nannte die Kinder als Vorbild, um in das Reich Gottes zu gelangen. Seine Lehre über die Kinder und seine Zärtlichkeit im Umgang mit ihnen sind heute Appell zu Sorge und Respekt ihnen gegenüber." Das sagte Papst Benedikt XVI. an diesem Montag bei einer Ansprache vor der Vollversammlung des päpstlichen Familienrates in Rom. Christus folgend habe die Kirche im Laufe der Jahrhunderte den Schutz der Würde und der Rechte Minderjähriger gefördert und sich selber der Sorge um sie angenommen, so der Papst weiter.

Mit Blick auf die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche fügte er hinzu, dass es leider einige Glieder der Kirche gebe, die diese Rechte verletzt und sich damit in Gegensatz zu dieser Verpflichtung gesetzt hätten. Dieses Verhalten habe die Kirche zu jeder Zeit verurteilt und das werde sie immer tun. Jesus habe harte Worte benutzt gegen die, die "einen dieser Kleinen zum Bösen verführt" hätten. Das müsse heute Ansporn dazu sein, die Rechte und die Liebe der Kinder nicht herabzumindern.

Verweis auf Konvention zum Schutz der Kinderrechte der UN
Kinderrechte, so der Papst, seien vor allem in einer familiären Umgebung gewährleistet. Insbesondere verwies Benedikt auf die Konvention zum Schutz der Kinderrechte der UN, die in diesem Jahr 20 Jahre alt wird und das Thema der Versammlung des päpstlichen Rates ist. In dieser Konvention begrüße die Kirche vor allem die positiven Aussagen zu Adoption, zur Gesundheitsversorgung, zur Erziehung, zum Schutz der Behinderten, zum sexuellen Missbrauch und zur Ausbeutung durch Kinderarbeit.

Auch der Präsident des Rates, Kardinal Ennio Antonelli, betonte, Kinder bräuchten einen Vater und eine Mutter, damit sie in einer ausgeglichenen Umgebung aufwachsen könnten. Von diesem Befund ausgehend sei es wichtig, bei allen familienpolitischen Erwägungen immer das Kindeswohl in den Mittelpunkt zu setzen. Gleichzeitig kündigte Antonelli ein Schreiben des Rates an, dass sich mit den Grundlagen einer ernsthaften Vorbereitung auf die Ehe befassen soll. Die beiden Themen Ehe und Kinder gehörten untrennbar zusammen, so der Kardinal. Deshalb dürfe die Vorbereitung auf die Ehe nicht zu einer Pflichtübung verkommen.

Glück fordert rasche Aufklärung und kritisiert Medien
Unterdessen forderte das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eine rasche Aufklärung der Missbrauchsfälle in der Kirche. "Es muss volle Transparenz geben, so schmerzlich dies auch sein kann", sagte ZdK-Präsident Alois Glück in Bonn. Der Repräsentant der katholischen Laien in Deutschland verwies auf die 2002 verabschiedeten Leitlinien der Bischöfe. Auch der Papst habe sich immer wieder "beispielhaft" für die Aufklärung derartiger Fälle eingesetzt.

Zugleich übte Glück Kritik an der Berichterstattung in den Medien. Es sei unverantwortlich, durch reißerische Beiträge die Bildungs- und Jugendarbeit der katholischen Kirche "insgesamt in Misskredit bringen zu wollen".

Kirchenrechtler verteidigt Leitlinien
Der Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke sieht die Kirche in Deutschland beim Umgang mit Missbrauchsfällen gut aufgestellt. Die Leitlinien der Bischofskonferenz hätten sich im Grundsatz bewährt, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Im Detail könnten Änderungen nötig sein.

Laut Lüdicke sehen die Leitlinien eine Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft vor und berücksichtigten die strafrechtliche Relevanz des sexuellen Missbrauchs. Das sei früher anders gewesen. Der Wissenschaftler verwies auf die Unterschiede zwischen dem staatlichen Strafrecht und dem Kirchenrecht. Letzteres ziele auf Maßnahmen, um die innerkirchliche Disziplin aufrecht zu erhalten, etwa die Klerikerverpflichtung zu einem enthaltsamen Leben. Das Kirchenrecht kenne keine Geld- oder Freiheitsstrafen, sondern letztlich nur disziplinarische Möglichkeiten. So könnten Geistliche aus dem Klerikerstand entlassen werden, wenn sie pädophile Neigungen auslebten.

Lüdicke verteidigte auch, dass die Kirche potenzielle Missbrauchsfälle zunächst unter Geheimhaltung behandelt. Dies diene dem Verdächtigtenschutz. Niemand dürfe vorverurteilt werden; die Falschanzeige gegen einen Kleriker sei ein "gefährliches Schwert". Der Kirchenrechtler sieht auch keine Verbesserung darin, wenn die Bistümer statt eigener Personen unabhängige Ansprechpartner für Opfer beauftragen. Denn auch sie wären schließlich von der Kirche beauftragt.

Auch der Direktor des Jesuiten-Kollegs St. Blasien, Pater Johannes Siebner, verteidigte die Kirche gegen den Vorwurf der Vertuschung. Die Leitlinien sähen deutlich vor, "dass sehr schnell der Schritt nach draußen geht", sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte zuvor das Vorgehen der Kirche als unzureichend kritisiert. Kirchenrechtliche Sanktionen blieben weit hinter denen des weltlichen Strafrechts zurück und dienten lediglich dazu, eine "Schweigemauer" um die Täter zu errichten.

Rektor des Aloisiuskollegs tritt zurück
In der Folge der aktuellen Entwicklungen um das Aloisiuskolleg in Bad Godesberg ist der Rektor des Kollegs, Pater Theo Schneider SJ, mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurückgetreten. Der Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten, Stefan Dartmann SJ, hat den Rücktritt angenommen.

Pater Schneider hat den Provinzial am Montag darüber informiert, dass er diesen Schritt im Interesse einer lückenlosen Aufklärung aller im Raum stehenden, einschließlich der gegen seine eigene Person gerichteten Vorwürfe für angeraten halte. Der Provinzial wird in den nächsten Tagen eine kommissarische Leitung des Kollegs bestellen.