domradio.de: Sie stehen kurz vor der Weihe im Mainzer Dom. Wie sieht es da in Ihnen aus?
Prof. Dr. Peter Kohlgraf (ernannter Bischof von Mainz): Ehrlich gesagt wundere ich mich ein wenig, dass ich nicht ganz so dramatisch angespannt bin. Ich vermute das kommt dann in den letzten Tagen davor.
domradio.de: Sie sind Priester des Erzbistums Köln und werden am Weihetag auch feierlich zum Kölner Ehrendomherr ernannt, wie das Tradition ist bei Bischöfen, die aus Köln kommen. Was bedeutet das für Sie?
Kohlgraf: Darüber habe ich mich wirklich sehr gefreut. Köln mit dem Dom, das ist und bleibt meine Herkunft und auch meine Heimat. Trotzdem fühle ich mich in Mainz natürlich sehr wohl. Diözesanbischöfe aus Köln werden ja Ehrendomherren, wobei ich hier auch ein Sonderfall bin. Ich bin, glaube ich, der erste, dessen Weg nicht schon einmal über den Dom geführt hat. Alle anderen waren vorher schon Domkapitulare oder Weihbischöfe, Erzbischof Koch aus Berlin und Erzbischof Heße aus Hamburg zum Beispiel. Insofern bin ich ein bisschen der Quereinsteiger, aber das ist ja auch mal ganz schön.
domradio.de: Haben Sie einen Lieblingsort im Kölner Dom?
Kohlgraf: Mein Lieblingsort ist der Lochner-Alter, auf der rechten Seite neben der Vierung. Das hängt auch ein bisschen damit zusammen, dass eine Kopie dieses Bildes in meiner Schule hing, dem Dreikönigs-Gymnasium. Über neun Jahre hat mich dieses Bild tagtäglich begleitet, manchmal froh, manchmal etwas qualvoll, wie das halt so ist. Dieses Bild gehört zu meinem Leben einfach dazu.
domradio.de: Sie haben die vergangenen Jahre als Dozent an der katholischen Hochschule in Mainz gearbeitet. Die Schüler und Studenten sprechen von Ihnen als offen, authentischen Menschen, der auch die Jugend nicht von oben herab behandelt hat. Welche Rolle spielt das denn mit jungen Leuten, mit engagierten Laien eine Beziehung aufzubauen?
Kohlgraf: Ich war auch vorher schon lange als Religionslehrer tätig. Schon da gab es eine starke Nähe. Vor einer Gruppe Jugendlicher kann man sich nicht verstecken, da muss man authentisch sein. Das ist nicht nur vielleicht mein Naturell, sondern die einzige Methode in einer Schule oder Hochschule mit jungen Menschen umzugehen. Ich glaube, dass die sofort merken, wenn man schauspielert.
domradio.de: Nehmen Sie sich das auch für die neue Aufgabe ein bisschen mit?
Kohlgraf: Ich denke schon. Zu meinem Naturell gehört es nicht hinter einer Fassade zu leben. Ich glaube, wer mich kennt wird das bestätigen. Das kann aber auch bedeuten, dass ich einem Konflikt nicht unbedingt aus dem Weg gehe.
domradio.de: Bei Ihrer Ernennung haben Sie gesagt: "Auch ein Bischof bleibt ein ganz normaler Mensch." Da gibt es vielleicht auch Leute, die das anders sehen?
Kohlgraf: Vielleicht sind das die, die mich auch vorher für nicht ganz normal gehalten haben (lacht). Natürlich ändert sich die Rolle. Ich werde mich auch nicht mehr so ungezwungen durch die Stadt bewegen können. Das merke ich auch jetzt schon. Mainz ist keine 20-Millionen-Stadt. Man kennt den Bischof. Die Leute nehmen einen wahr, grüßen auch freundlich, bisher zumindest. Bisher hat mich noch jeder anständig behandelt. Ich denke zu dieser "Normalität" gehört also auch, dass ich mich normal durch die Stadt bewege. Aber die Mainzer kennen das auch. Das war bei Kardinal Lehmann ja auch immer so.
domradio.de: Mit Kardinal Lehmann als Vorgänger muss man sicher auch ganz schön große Fußstapfen füllen. Schwebt das ein wenig als Wolke über Ihnen?
Kohlgraf. Nein, gar nicht. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Ich habe wirklich den Eindruck, er freut sich, dass ich sein Nachfolger bin. Ich habe regelmäßig auch Gespräche mit ihm, das könnte also nicht besser laufen. Was ich in Mainz merke, und das ist sicher ein Verdienst von Lehmann und auch seinen Vorgängern, dass der Titel und die Person des Bischofs in Mainz positiv belegt ist. Es mag auch Bistümer geben, wo das anders ist. Wenn aber in Mainz über den Bischof gesprochen wird, klingelt bei den Leuten etwas Gutes, Positives, Freundliches.
domradio.de: Sie haben sich als Bischof von Mainz auch eine eigene Facebook-Seite eingerichtet. Ist das auch eine Art mit der Basis in Kontakt zu treten?
Kohlgraf: Ich bin ja nicht der erste Bischof, der das macht. Das kommt. Im Moment testen wir da noch viel, aber wir merken: Viele sehen das, nehmen das zur Kenntnis, die Sonntags nicht vor der Kanzel sitzen und die Predigt hören. Für mich sind es zwei Dinge, die ich damit erreichen will. Die Botschaft, die ich verkünden möchte, in diesem Fall über ein Medium, über das man sehr eng mit Menschen in Berührung, in Kontakt kommt. Auf der anderen Seite finde ich es gibt dem Bischof ein persönliches, ein menschliches Gesicht. Manche finden das vielleicht noch verstörend. Der Bischof ist aber kein Pharao, der jenseits der Zeit lebt, sondern er darf auch zeigen, dass er eine menschliche Seite hat.
domradio.de: Werden Sie da selbst aktiv, oder lassen Sie die Seite bespielen?
Kohlgraf: Ich habe auch schon selber Sachen eingestellt, einfach mal um zu testen. Eine etwas inhaltlichere Sache, die sehr kritisch diskutiert wurde. Aber das darf ja auch sein, so lange es nicht beleidigend wird ist, das völlig in Ordnung. Das andere war ein eher persönlicher Abschied von meinen jetzigen Gemeinden um meinem Wohnort. Das hat viele positiv berührt, aber es gab auch da kritische Stimmen, nach dem Motto: Der Bischof soll uns mit seinen Privatangelegenheiten in Ruhe lassen.
domradio.de: Köln und Mainz. Die zwei Städte verbinden Sie. In Ihrem Bischofswappen ist auch der Rhein, der beide Städte verbindet. Ein wichtiges Thema ist da natürlich auch der Karneval. Haben Sie sich da schon zurechtgefunden und eingelebt?
Kohlgraf: Zumindest habe ich in fünf Jahren Rheinhessen gelernt, dass es nicht Karneval, sondern Fassenacht heißt, da wären Sie jetzt schon negativ aufgefallen (lacht). Ich finde es ist eine andere Form des Feierns, aber trotzdem auch eine sehr lustige. Es geht etwas politischer zu als in Köln.
domradio.de: Aber als Bischof müssen Sie dann auch bei "Mainz bleibt Mainz" mitmachen, Sie wissen, dass das auf Sie zukommt?
Kohlgraf: Ich weiß das, und ich hoffe das!
domradio.de: Das Mottolied heißt "Im Schatten des Doms" – Können Sie schon mitsingen?
Kohlgraf: Das kann ich tatsächlich noch nicht, aber das kommt!
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch