domradio.de: Im Jahr 2014 wurde die Friedensglocke gegossen. Wie kam es dazu?
Ralf Neukirchen (Pfarrer der Gemeinde in Köln-Chorweiler): Ich war kurz vorher zum Pfarrer geweiht worden. Plötzlich stand dann die Heiligsprechung unseres Pfarrpatrons Papst Johannes XXIII. auf dem Plan und ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie ich das mit der Gemeinde feiern kann. In dem Zuge ist die Idee zur Friedensglocke entstanden; zumal wir zu dem Zeitpunkt auch keine Glocken in unserer Pfarrkirche hatten. Wir wollten eine Botschaft in unserem multikulturellen Chorweiler verkünden, die man mit dem Glockenläuten verbindet. Auf den Glocken stehen deswegen wichtige Worte wie "Gloria in Excelsis Deo", "Freiheit" oder sehr oft ganz schlicht "Friede".
domradio.de: Was ist das Besondere an der Glocke?
Neukirchen: Chorweiler ist dafür bekannt, dass dort viele Nationen zusammenleben. Wir haben einen Aufruf gestartet, dass alle aus ihrem Heimatland ein bisschen Erde mitbringen mögen. Zusätzlich haben wir einige Botschaften angeschrieben, sodass wir letztlich mehr als 50 Antworten mit kleinen oder größeren Portionen Erde aus dem jeweiligen Heimatland bekommen haben. Die Erde haben wir dann benutzt, um das Glockenmaterial zu festigen. Bei einer großen Prozession am Tag des Gusses konnten alle ihre Erde in die Glocke kippen und sie so stabilisieren. Unser Ziel war es, möglichst viele Nationen einzubinden. Und das ist uns gelungen.
domradio.de: Auf der Glocke sind fünf Hände zu sehen. Wem gehören die?
Peter Klein (Vorsitzender des Pfarrgemeinderates): Weil es fünf Kontinente gibt, haben wir je ein Kind aus jedem Kontinent gebeten, seine Hände als Formvorlage zur Verfügung zu stellen. Fünf Kontinente, mit fünf Händen.
domradio.de: Die Glocke wurde im Jahr 2014 gegossen. Wann haben Sie die Glocke denn zum ersten Mal läuten gehört?
Neukirchen: Das erste Mal habe ich sie nach dem Tag des Gusses gehört, als wir ein zweitägiges Friedensfest gefeiert haben. Sie wurde am 26. April gegossen; an dem Tag fand auch die Aktion mit der Heimaterde statt. Am 27. August wurde die Glocke in einem festlichen Programm mit Hunderten Menschen aus ihrer Form gepellt. Anschließend haben wir sie provisorisch geputzt. Danach hat die damalige Bezirksbürgermeisterin - als Stellvertreterin für den Bezirk Chorweiler - die Glocke zum ersten Mal angeschlagen. Das ist heute noch auf der Homepage der Friedensglocke zu hören.
domradio.de: Kann man die 74 Kilogramm schwere Glocke auch transportieren?
Klein: Große Glocken haben die dumme Angewohnheit, sehr schwer zu sein. Zum Transport haben wir ein Metallgerüst mit Rädern besorgt. Damit können wir sie auf einen Anhänger schieben und transportieren. Das heißt, die Glocke ist nicht örtlich gebunden, man kann sie auch verleihen, was ungefähr ein Mal pro Monat passiert. Die Glocke hat ihren ganz eigenen Wagen, einen einfachen Kasten, auf den hinten eine Glocke gemalt ist. So weiß jeder, der vorbeigeht, dass das unsere Glocke ist.
domradio.de: Beim Katholikentag in Leipzig wurde die Glocke auch geläutet. Wie war das für Sie?
Neukirchen: Ich war persönlich nicht dabei, aber die Fotos die ich gesehen habe, sind wirklich bewegend. Man erkennt darauf, dass es wirklich eine Glocke zum Anfassen ist. Die Kinderhände, von denen wir gerade gesprochen haben, stehen dafür, dass wir Hand anlegen müssen, wenn es um Frieden geht - und das berührt die Menschen. Also diese Glocke ist für sich genommen eine echte Herzensbotschaft!
domradio.de: Nun ist es nicht nur beim regelmäßigen läuten der Glocke geblieben. Die Veranstaltung "Chorweiler Abendfrieden" wurde ins Leben gerufen. Was genau passiert bei dieser Veranstaltung?
Neukirchen: Im Grunde genommen öffnet die Veranstaltung einen Raum für Begegnung zwischen den Menschen, die sich mit Blick auf ihre Herkunft oder Religion eher fremd sind. Der "Chorweiler Abendfrieden" sorgt für Dialog, für Zusammenkunft, für Austausch. Deswegen wird die Veranstaltung glücklicherweise vom Stadtbezirk unterstützt und verantwortet. Auch die größten Religionsgemeinschaften tragen den Chorweiler Abendfrieden mit und haben eine allgemeine "Chorweiler Friedenserklärung" auf den Weg gebracht.
Klein: Ich finde es besonders schön, dass inzwischen schon mehrere Schulen in Köln den Abendfrieden gestaltet haben. Sie waren vor Ort und waren nachher überrascht, dass so viele Menschen ihnen aufmerksam zugehört haben. Die Schüler konnten sagen, was sie wollten, sie waren nicht an eine Form gebunden. Und das hat so große Wellen geschlagen, dass die Glocke immer gefragter ist und oft verliehen wird.
domradio.de: Wie funktioniert das mit dem Mieten der Glocke denn?
Neukirchen: Das ist ganz einfach: Die Glocke hat eine eigene Homepage, über die sie vermietet werden kann: www.friedensglocke-chorweiler.de Alles, was man dann noch braucht, ist ein Auto mit einer Anhängerkupplung, um die Glocke abholen zu können. Das Ganze ist natürlich kostenlos.
Das Interview führt Tobias Fricke.