Schon in den Monaten zuvor lebten die Kölner in großer Angst. Die Alliierten hatten Anfang März 1943 die "Battle of Ruhr" (Schlacht um das Ruhrgebiet) gestartet, um durch ein flächendeckendes Bombardement der größeren westdeutschen Städte nicht nur militärische Ziele anzugreifen, sondern auch die Moral der Zivilbevölkerung zu brechen.
Psychisch zermürbende Zeit
Für die Kölner war dies eine psychisch zermürbende Zeit, weiß Dr. Martin Rüther vom NS-Dokumentationszentrum: "Man muss sich vorstellen, wenn Dortmund angegriffen wird, ist Alarm in allen Städten, und man hört die Bomberverbände in der Luft. Und es kann jederzeit und überall jeden treffen. Wenn man da Schlafmangel und zunehmende Zerstörung tagtäglich vor Augen hat … ich möchte das nicht erleben." Dazu kam, dass die Alliierten modernisierte Bomber und besonders zerstörerische Bomben einsetzten.
Das hat die Menschen zutiefst irritiert, so Rüther, "weil die Bomben, die eingesetzt wurden, immer stärker wurden, dad heißt sie zerschlugen plötzlich die Luftschutzkeller, in denen man sich vorher sicher wähnte. "Besonders schlimm wüteten die neuen Luftschutzminen, die kurz vor dem Aufprall explodierten und eine ungeheure Druckwelle entfachten. Bäume und Häuser fielen wie Kartenhäuser zusammen. "Wer nicht in sicheren Kellern oder Bunkern Schutz gefunden hatte, wurde entweder weggeblasen oder ihre Lungen wurden zerstört.", so Rüther.
Schäden und Opfer rund um den Kölner Dom
In der Schreckensnacht des Peter und Paul-Angriffs – am Gedenktag der Apostel Peter und Paul - starben mehr als 4.300 Kölner, rund 230.000 Menschen wurden obdachlos. Der Kölner Dom hat diesen verheerenden Bombenangriff relativ unbeschadet überstanden. Allerdings brachte eine Explosion alle vier Gewölbefelder des nördlichen Querschiffs zum Einsturz, wie der Historiker Niklas Möring berichtet. Dadurch wurde die wertvolle Domorgel aus dem 16. Jahrhundert vollkommen zerstört.
Eine weitere Bombe vernichtete die Dombauhütte an der Südseite der Kathedrale. Auch das Notenarchiv des Domchores soll in Flammen aufgegangen sein. Die Schäden am Dom waren erheblich größer als bei dem "1.000-Bomber-Angriff" ein Jahr zuvor, bei dem 469 Menschen ihr Leben verloren hatten und 45.000 Kölner obdachlos wurden.
Unter den Opfern des Peter und Paul-Angriffs rund um den Kölner Dom war auch der Domkapellmeister Monsignore Johannes Mölders, der am Morgen nach dem Fliegerangriff im Keller seiner Wohnung im ehemaligen Generalvikariat an der heutigen Kardinal-Frings-Straße gefunden wird, wie auf der Website des Kölner Doms nachzulesen ist.
Feldpost-Aktion des NS-Dokumentationszentrums
Für die Überlebenden begann eine schwere Zeit. In Feldpostbriefen und Tagebüchern schreiben sie, was sie in den Tagen und Wochen nach dem Bombenangriff bewegt. "Natürlich ist nach solchen Kriegserlebnissen wie den Peter und Paul-Angriff die Verzweiflung, die Perspektivlosigkeit ein Thema. Man flieht aus der Stadt, weiß gar nicht wohin, ob man noch zurück kann. Das ist für uns heute unvorstellbar, in anderen Ländern wie in Syrien ist es der Alltag. Aber vor 75 Jahren war es in Köln auch so, dass man vor dem Nichts stand und nicht wusste, wie es persönlich weitergehen und wie es mit dem Krieg weitergehen würde," so Rüther.
Als Ventil für diese persönlichen Dramen wurde das Geschehen in Briefen oder in Tagebüchern niedergeschrieben. Nicht nur tiefe Verzweiflung ist in diesen schriftlichen Zeugnissen nachzulesen, sondern auch Wut auf die Alliierten kommt dort zum Ausdruck. Dabei wurde vergessen, so Rüther, dass die deutsche Luftwaffe vorher auch Angriffe auf London, Rotterdam oder Belgrad geflogen hatte.
Gott spielt in vielen dieser Briefe eine Rolle. Doch haben auch gute Katholiken und Katholikinnen in ihren Aufzeichnungen Gott darum gebeten, dass "Er" dem Führer beistehen möge, damit er die richtigen Entscheidungen in diesem Krieg treffen möge. Auch sie schimpfen auf den "Tommy" (Red.: die Engländer) wegen der Bombenangriffe auf die Stadt. Die Nationalsozialisten nutzten diese Angriffe auf Kulturgüter und Kirchen wie den Kölner Dom auch für ihre Propaganda gegen die Alliierten.
Sehr unterschiedlich haben die Menschen in ihren Briefen auf die Zensur durch die NS-Behörden reagiert. Manche haben sehr vorsichtig ihre Briefe verfasst und sich auf das Private zurückgezogen, andere beschreiben offen die schlechten Verhältnisse, in denen sie leben mussten. Auch in Briefen der Soldaten aus der Ostfront gibt es vorsichtige wie mutige Zeilen über die aktuelle Situation.
Appell an alle Bürger
Das Projekt "Feldpost" am NS-Dokumentationszentrum hat sich zum Ziel gesetzt, viele solcher Selbstzeugnisse zu erhalten und zu verhindern, dass die Nachfahren solche Briefe aus der Kriegszeit auf den Müll werfen. Die Wissenschaftler fordern daher alle Bürger auf, doch mal nachzuschauen, ob solche Briefe, Tagebücher oder Fotoalben vielleicht im Keller, Dachboden oder in den Schränken lagern, und diese dann den Historikern im NS-Dokumentationszentrum zur Verfügung zu stellen.
Diese Zeugnisse sollen dann archiviert, digitalisiert und transkribiert werden, um sie gut und leicht lesbar für jeden im Internet zur Verfügung zu stellen.