Was immer den jungen Forscher aus China bewegt haben mag - die Konsequenzen seiner Genmanipulation an menschlichen Embryonen stellen aus Sicht des Nationalen katholischen Zentrums für Bioethik der USA eine "Katastrophe" dar. Und die hat einen Namen, genauer gesagt zwei: Nana und Lulu. Das Zwillingspärchen trägt nun die veränderten Gene in sich.
Als wäre es das Normalste der Welt, teilte He Jiankui Ende November via Youtube die Geburt der beiden Mädchen mit. Sie seien "gesund" zur Welt gekommen. Es dauerte nicht lange, da brach über ihm eine Welle der Kritik zusammen: von der offiziellen Verurteilung durch die chinesische Regierung bis hin zu Kollegenschelte aus den USA.
Stufen "übersprungen"
"Normalerweise läuft die klinische Forschung in Phasen ab", erläutert John Brehany vom katholischen Bioethik-Zentrum. "Zuerst überprüft man, ob es bei Tieren funktioniert. Danach wird überprüft, ob es sicher ist. Dann geht es um die Effektivität." Laut Brehany, der für die institutionellen Beziehungen des Zentrums zuständig ist, hat He Jiankui diese Stufen einfach "übersprungen".
Die chinesischen Aufpasser des Wissenschaftlers hätten eingestanden, dass ihre eigenen Standards verletzt worden seien. So seien menschliche Embryonen beim Experimentieren "wahrscheinlich zerstört worden". He Jiankui stellte seine vollendeten Tatsachen am 26. November während der internationalen "Gen Editing"-Konferenz in Hongkong vor.
"Ein unmoralischer Anreiz"
Das als CRISPR bekannte Verfahren, Gene zu verändern, erlernte er bei einem Forschungsaufenthalt an der Rice University in Texas. Die Angelegenheit ist so brisant, dass der chinesische Wissenschaftler seit seiner Teilnahme an der Genkonferenz in Hongkong verschwunden ist – möglicherweise unter Hausarrest der chinesischen Behörden.
Nicht nur die Manipulation selbst ist in den Augen der katholischen Bioethiker verwerflich. Auch die Gewinnung der Embryonen werfe Fragen auf. So boten die Forscher Paaren für ihre Teilnahme eine kostenlose Fruchtbarkeitsbehandlung an. Das sei "ein unmoralischer Anreiz", sagt Bioethiker Brehany.
Die Würde einer jeden Person
Gen-Bearbeitung für sich genommen sei nichts Neues. Sie findet in der Landwirtschaft und bei Tieren statt – und begrenzt auch in der Humanmedizin. "Vieles davon war nicht erfolgreich, auch weil das menschliche Immunsystem dazu neigt, neue eingeführte Gene als Fremdkörper abzustoßen", sagt Brehany. Tomaten und Tiere seien eine Sache. "Aber bei Menschen geht das nicht so einfach." In den USA ist Embryonenforschung zudem rechtlich heikel.
Die Position der katholischen Kirche zur Gentechnik ist festgeschrieben in der Instruktion "Dignitas Personae" der vatikanischen Glaubenskongregation von 2008: Die Würde einer jeden Person müsse "von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod" unbedingt beachtet werden. Dieses Grundprinzip sei ein großes Ja zum menschlichen Leben und müsse "im Zentrum der ethischen Reflexion über die biomedizinische Forschung stehen".
"Ich war wütend über seinen Leichtsinn"
He Jiankuis erklärtes Ziel, den Körper resistent gegen den HIV-Erreger zu machen, spielt in der aktuellen Debatte nur eine untergeordnete Rolle. Kritisiert wird seine Aufkündigung des wissenschaftlichen Konsenses, dass "genetische Veränderungen, die an künftige Generationen weitergegeben werden könnten, nicht angewandt werden sollten", meint einer der Pioniere der Genveränderung, Matthew Porteus von der Stanford University. "Ich war wütend über seinen Leichtsinn", so die Stanford-Koryphäe, die noch in diesem Jahr Kontakt mit dem chinesischen Kollegen hatte.
"Er hat jede Grenze überschritten – wissenschaftlich wie ethisch", empört sich der Direktor des Nationalen Gesundheits-Instituts (NIH), Francis Collins. Der Fall sei kein rechtliches, sondern in erster Linie ein ethisches Problem. Sollte sich herausstellen, dass US-amerikanische Partner nennenswert mitgeholfen hätten, müssten sie mit Sanktionen der Behörde rechnen.