Ethikrat zum Gerichtsurteil über Samenspenden von Toten

"Gedanke verträgt sich nicht mit dem Christentum"

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Klage einer Frau abgewiesen, die mit dem Sperma ihres verstorbenen Sohnes ein Kind zeugen lassen wollte. Professor Andreas Lob-Hüdepohl vom Deutschen Ethikrat kann das Verbot nur bekräftigen. 

Mikroskopische Aufnahme: Eine menschliche Eizelle wird injiziert / ©  Ralf Hirschberger (dpa)
Mikroskopische Aufnahme: Eine menschliche Eizelle wird injiziert / © Ralf Hirschberger ( dpa )

DOMRADIO.DE: Der Sohn dieser Frau habe vor seinem Tod unbedingt ein Kind haben wollen, und sie wolle ihm nun seinen letzten Wunsch erfüllen, sagt diese Mutter. Lassen wir jetzt mal den umstrittenen Punkt künstlicher Befruchtung ohne natürlichen Geschlechtsakt beiseite. Was spricht denn aus katholischer Sicht dagegen, dass nun mit seinem Sperma ein Kind gezeugt wird?

Andreas Lob-Hüdepohl (Professor für Theologische Ethik und Mitglied des Deutschen Ethikrats): Dagegen spricht, dass das Recht auf reproduktive Autonomie gebunden ist an jemanden, der lebt und nicht schon verstorben ist. Der zweite Punkt, der dagegen spricht: Fortpflanzung dient der Zeugung neuen Lebens um des neuen Lebens willen. Und nicht, um sich selber sozusagen biologisch oder genetisch in die Zukunft hinein zu verlängern. Es geht um die Frage des Kindeswohls und nicht um die Frage, was Eltern wollen.

DOMRADIO.DE: In Deutschland gibt es das Embryonenschutzgesetz. Das verbietet ausdrücklich die Befruchtung mit Samen eines Verstorbenen. Aber auch dagegen gab es schon Klagen. Es heißt auch, es sei in diesem Punkt nicht mit der Verfassung vereinbar, weil es gegen Persönlichkeitsrechte verstößt. Wie bewerten Sie das?

Lob-Hüdepohl: Ich halte das Embryonenschutzgesetz nach wie vor für richtig. Und zwar deshalb, weil es die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen nicht mehr berühren kann. Der Verstorbene ist verstorben, und das Recht auf Reproduktion ist ein Recht eines lebendigen Menschen, der auch noch Rechtsträger ist.

DOMRADIO.DE: Die rechtliche Seite ist im Prinzip deutlich geworden. Was ist denn allgemein der Grund, warum Menschen auch nach dem Tod noch Kinder zeugen lassen wollen? Die Vorstellung hat ja auch irgendwie etwas Gespenstisches.

Lob-Hüdepohl: In der Tat. Aber der Wunsch ist überhaupt nicht neu, sondern es gibt schon beinahe ein archetypisches Verlangen von Menschen, das eigene Leben in eine Ewigkeit hinein biologisch zu verlängern. Aber es ist eben nicht Kindeswohl orientiert. Das heißt, der Gedanke, dass ich mich fortpflanze, um das Leben zu schenken und um des Kindes willen, ist natürlich ein neuzeitlicher Gedanke. Der sollte allerdings gerade aus der Perspektive einer christlichen Ethik im Vordergrund stehen. Die Verlängerung der eigenen biologischen Lebens über meine Nachfahren oder die Sicherung meines Genpools an meine Nachfahren ist ein Gedanke, der sich mit der Grundidee der Individualität, der Einzigartigkeit jedes menschlichen Lebens aus einer Perspektive des Christentums nicht verträgt.

Da ist die Zusage des ewigen Lebens völlig von einer anderen Seite her bejaht und nicht über eine biologische Komponente, sodass ich mich in meinem Kindeskindern sozusagen verewigen möchte. Nachfahren werden  verzweckt für die eigenen Interessen, sie zu verewigen, und das halte ich für einen Verstoß gegen die Würde anderer Menschen, die in dieser Weise völlig verzweckt werden würden. 

DOMRADIO.DE: Ist die Diskussion mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte jetzt beendet oder geht sie noch weiter?

Lob-Hüdepohl: Ich vermute, es wird weitergehen. Im Rahmen der Fortpflanzungsmedizin werden völlig neue Konstellationen und technische Möglichkeiten - das Einfrieren des eigenen Spermas oder der weiblichen Eizelle über Jahrzehnte bis zu einem Zeitpunkt, wo ich das dann vielleicht wieder aktivieren kann. Das ist bereits nicht nur in der Diskussion, dass ist in vielen Ländern sogar Praxis, beispielsweise in Spanien.

Die fortpflanzungsmedizinischen Möglichkeiten werden zu vielen Diskussionen, auch über das Embryonenschutzgesetz, führen. Umso stärker, finde ich, muss es uns daran gelegen sein, die zentralen Ideen von Fortpflanzung in den Blick zu nehmen. Und das bedeutet neues Leben, um seiner selbst willen zu zeugen und nicht, um unsere Wünsche nach irgendwelcher Form von Elternschaft zu befriedigen.

Das Gespräch führte Martin Bornemeier. 


Andreas Lob-Hüdepohl / © Harald Oppitz (KNA)
Andreas Lob-Hüdepohl / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR
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