Es sei ein Überangebot an islamisch-theologischen Zentren an deutschen Universitäten, sagte der muslimische Theologe und Direktor des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT) an der Universität Münster Mouhanad Khorchide in Mülheim an der Ruhr. Auf einer Tagung über die Islamische Theologie in Deutschland zeigt er auf, dass sechs und demnächst sieben Einrichtungen in der Bundesrepublik zu viel seien, "weil wir kein Personal haben".
Gefahr zweitklassiger Besetzung
Hinzu kämen zwei Einrichtungen in Österreich und ein weiteres Zentrum in der Schweiz, die um Professoren und andere akademische Mitarbeiter konkurrierten. In Münster sind nach den Worten des Direktors nach wie vor drei von sechs Professorenstellen unbesetzt. An den anderen Standorten sehe dies nicht anders aus. Manche Stellen seien in Münster schon zum dritten Mal ausgeschrieben worden. Angesichts der Unterbesetzung bestehe die Gefahr, dass die vakanten Positionen zweitklassig besetzt werden.
Nach den Worten Khorchides hat sich die Erwartung der Politik nicht erfüllt, dass sich mit der universitären islamischen Theologie in der Bundesrepublik eine akademische Ausbildung von in Deutschland tätigen Imamen etabliere. Maximal fünf der derzeit rund 840 muslimischen Theologiestudenten in Münster strebten eine Imam-Tätigkeit an.
Unterschiedliches Verständnis
Der ZIT-Leiter wies auf das unterschiedliche Verständnis von islamischer Theologie hin. Während er darunter eine Befähigung zu einem kritischen Umgang mit Religion unter klaren rationalen Kriterien verstehe, gehe es den Moscheeverbänden allein um die Vermittlung der traditionell verkündeten Wahrheit. Die islamischen Organisationen hegten die Angst, die islamische Wissenschaft könnte von Philosophie und christlicher Theologie unterwandert werden.
Im Austausch mit anderen Theologien und der Implementierung der neuzeitlichen Philosophie sieht Khorchide gerade im deutschsprachigen Raum eine große Chance. Bei Gottes- und Menschenbild gebe es vielleicht mehr Überschneidungen als erwartet. Das Konzept in Münster finde inzwischen international Interesse. So habe er in Form von Blockseminaren Imame in Ägypten unterrichtet.
Fach muslimische Religion in NRW fortsetzen
Trotz verfassungsrechtlicher Probleme plädiert der Kölner Islam-Experte Thomas Lemmen für eine Fortsetzung des islamischen Religionsunterrichts an den nordrhein-westfälischen Schulen. Lemmen war neben Khorchide einer der Redner der Fachtagung "Islamische Theologie in Deutschland" in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr. Angesichts der fehlenden und derzeit nicht zu erwartenden Anerkennung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaften sollte das provisorische Beiratsmodell unter verbesserten Bedingungen verlängert werden, sagte der katholische Theologe. So könne das Gremium um verbändeunabhängige Personen erweitert werden.
Der Beirat bestimmt darüber, was im islamischen Religionsunterricht gelehrt wird und welche Lehrer unterrichten. Eigentlich muss laut Verfassung eine Religionsgemeinschaft darüber befinden. Da die islamischen Verbände bislang nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt sind, dient der bis 2019 befristete Beirat als Übergangslösung. Die Mitglieder werden zur Hälfte von der Landesregierung und zur anderen Hälfte von den Islamverbänden entsandt.
Anerkennung der islamischen Verbände fraglich
Lemmen verwies auf den Beirat für den islamischen Lehramtsstudiengang an der Universität Erlangen-Nürnberg. Dessen sieben Mitglieder seien keinen Verbänden zuzuordnen. Mit der Theologin Rabeya Müller arbeite dort auch eine Vertreterin des liberalen Islam mit. Der Theologe hält es für grundsätzlich möglich, dass die Verbände ähnlich wie Kirchen oder Orden eigene theologische Institute gründen. Wie diese könnten sie irgendwann auch staatliche Anerkennung erfahren. Die Frage der Gründung theologischer Einrichtungen hätten sich die Organisationen bislang aber nicht gestellt.
Aus Sicht von Lemmen ist eine Anerkennung der islamischen Verbände als Religionsgemeinschaft derzeit fraglich. Bei der Ditib wirke die türkische Religionsbehörde Diyanet in die inneren Angelegenheiten von Muslimen in Deutschland hinein, was verfassungsrechtlich ein Problem darstelle.