Statt mit liberalen Muslimen suchten Katholiken und Protestanten vor allem das unkritische Gespräch mit den konservativen Islamverbänden, sagte Schröter der "Jüdischen Allgemeinen" (Montag). "Gegen Gespräche mit den Islamverbänden wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn richtige Debatten geführt würden.
Aber man lässt sich von diesen Islamvertretern auch noch die Agenda diktieren", so die Professorin am Institut für Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt und Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam.
Schwierige Themen auszublenden, mache keinen Sinn, "ebensowenig, nur mit denjenigen zu reden, die liberale und säkulare Muslime immer wieder weggebissen haben", kritisierte Schröter in Richtung der Kirchen. Diese hätten Einfluss darauf, wer bei Dialogformaten, dem Rat der Religionen oder bei Runden Tischen dabei sei. Liberale Stimmen seien dort häufig nicht vertreten. "Ich verstehe, dass die Kirchen gern auf gut organisierte Verbände im Dialog zurückgreifen. Aber sie akzeptieren damit Gesprächspartner, die von ausländischen Organisationen oder gar Regierungen gesteuert werden."
Die Kirchen seien im Dialog mit konservativen Muslimen "viel zu zurückhaltend", so Schröter weiter. Dahinter stehe vielleicht die Ansicht, Muslime seien eine unterprivilegierte Gruppe, die besonderen Schutz brauche. "Aber nicht alle Akteure sind so unterprivilegiert.
Respekt oder Selbstrelativierung?
Zudem kann man auch Minderheiten, die undemokratische Auffassungen vertreten, in aller Offenheit entgegentreten, statt sie unter eine Schutzglocke zu stellen und kritische Themen nicht mehr anzusprechen." Dazu zähle etwa die Verfolgung von Christen in islamischen Ländern. "Das Schweigen zur Verfolgung der Christen im Orient ist wirklich dramatisch. Das verstehe ich nicht. Warum schweigt man da?"
Als "Tendenz zur Selbstrelativierung" bezeichnete Schröter den Fall, dass Kardinal Reinhard Marx und der evangelische Bischof Heinrich Bedford-Strohm beim Besuch der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee 2016 aus Respekt vor den Muslimen ihre Bischofskreuze verborgen hatten. "In Jerusalem haben die Kirchenoberen ein Zeichen gesetzt, das - wohl auch von den Muslimen - so verstanden wurde, dass der eigene Glaube als nicht wirklich vollwertig gesehen wurde", so Schröter.