Etwa 45.600 Kirchen gibt es in Deutschland - und mittlerweile rund 2.400 Moscheen. Die allermeisten liegen hinter unscheinbaren Wohnfassaden oder in ehemaligen Fabrik- und Lagerhallen. Seit den 1990er Jahren kamen rund 150 repräsentative Bauten hinzu, oft mit Kuppel und Minarett, oft mit finanzieller Hilfe aus dem Ausland errichtet. Sie ziehen am "Tag der offenen Moschee"(TOM) die Besucher an. Wie an jedem 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, laden am Sonntag rund 1.000 muslimische Gemeinden wieder dazu ein, schon zum 25. Mal. "25 Jahre TOM: Moscheen gestern und heute", lautet das Motto.
Beim Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM), der den Tag als Dachverband sechs großer Islamverbände organisiert, ist man froh über das Jubiläum. Seit 1997 erreiche man jährlich rund 100.000 Gäste mit Führungen, Teerunden und Gesprächen, berichtet Ali Mete, Mitglied der TOM-AG. Es gehe um Begegnung und den Abbau von Ängsten und Vorurteilen in der Gesellschaft. Das Interesse an Information sei über die Jahre gewachsen. "Das gilt auch für das Bewusstsein in unseren Gemeinden, dass wir uns stärker öffnen müssen", sagt Mete.
Ruf des Islam in Deutschland bereitet Sorge
Der islamische Reformtheologe Mouhanad Khorchide hält den Moscheetag für ein gesellschaftliches Signal, warnt aber vor Illusionen: "Die Verbände haben als Datum den deutschen Nationalfeiertag gewählt, um ihre Beteiligung an diesem Land zu betonen. Doch solange die meisten Imame aus dem Ausland kommen und nichtmal die deutsche Sprache beherrschen, geschweige mit der Lebenswirklichkeit der Menschen in Deutschland vertraut sind, hat das etwas von Inszenierung", meint der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Uni Münster. Die Abnabelung von Verbänden wie der türkischen Ditib vom politischen und finanziellen Einfluss der Herkunftsstaaten komme nicht voran und Theologen aus deutschen Universitäten, die ein zeitgemäßes, an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientiertes Islamverständnis vermitteln, sollten eine leichtere Anstellungsmöglichkeiten als Imame finden.
Der Ruf des Islam in Deutschland macht Khorchide Sorge. "Alle Umfragen zeigen, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung den Islam als Bedrohung sieht. Man verbindet damit vor allem Gewalt, Intoleranz und Frauenunterdrückung." Daran ändere auch der Tag der offenen Moschee nichts, denn Islamgegner erreiche man damit nicht. Khorchide wirbt für einen jährlichen "Islamtag", ähnlich den Kirchen- oder Katholikentagen. "Da müssten dann alle Reizthemen auf den Tisch. In offenen Diskussionsrunden und auf Podien. Vertrauen entsteht nur durch ehrlichen Dialog."
Mehr Wohlwollen gewünscht
Ali Mete wirbt für Geduld. Als Mitglied des "Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland" und Mitarbeiter der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs steht er für den traditionellen Islam türkischer Prägung. "Die Beheimatung der Muslime in Deutschland ist ein innerislamischer Prozess, der vorankommt. Ich wünsche mir mehr Wohlwollen und Geduld von allen Seiten." Viele Muslime, vor allem Türkeistämmige, fühlten sich der Heimat ihrer Vorfahren oft nicht mehr nahe und stärker in Deutschland verwurzelt. Der Trend sei deutlich: "Muslime befinden sich im Prozess einer neuen Beheimatung."
Auch der Reformtheologe Khorchide sieht Fortschritte. Die Sicht auf den Islam sei in den vergangenen 25 Jahren differenzierter geworden.
"Man unterscheidet mittlerweile mehr zwischen der muslimischen Mehrheit, für die Demokratie und eine offene Gesellschaft selbstverständlich sind, und einer Minderheit, die den politischen Islam nach Deutschland tragen will." Außerdem stimme die Vorstellung nicht, dass Religion für die meisten der inzwischen rund 5,6 Millionen Muslime hierzulande der alles entscheidende Faktor ist.
"Auch die muslimischen Gemeinden leiden unter Nachwuchsproblemen, genau wie die Kirchen", fügt der Münsteraner Islamprofessor hinzu. Die meisten Muslime hätten ohnehin keine Verbindung zu den Islamverbänden, die den Tag der offenen Moschee ausrichten. Und immer wieder höre er von deren Vertretern: "Wenn wir den Islam nicht zeitgemäßer entwickeln und neue Angebote machen, bleiben die Moscheen in 25 Jahren leer."