Offener Brief an CSU in Bayern

"Denkzettel" für Markus Söder

Restriktive Flüchtlingspolitik oder der Kreuzerlass für die Amtsstuben: Vertreter aus den Kirchen und gesellschaftlichen Organisationen reagieren mit einem offenen Brief auf die CSU-Politik. Der Jesuit und Mitunterzeichner Jörg Alt erklärt, warum.

Mit dem Kreuz-Erlass in der Kritik: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder / © Peter Kneffel (dpa)
Mit dem Kreuz-Erlass in der Kritik: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder / © Peter Kneffel ( dpa )

DOMRADIO.DE: Trägt die CSU das "C" noch zu Recht in ihrem Namen?

Jörg Alt (Jesuit und Sozialwissenschaftler): Darüber wollen wir jetzt diskutieren und ich möchte gleich dazu sagen, ich war nicht der alleinige Initiator, sondern auch der Würzburger Studentenpfarrer Burkhard Hose und die Münchner Juristin und Philosophin Beatrice von Weizsäcker. Wir sind allerdings durchaus der Meinung, dass jemand, der ein Kreuz an die Wand hängt, sich auch an der Botschaft des Kreuzes messen lassen muss. Und da denken wir, dass es einiges an Nachbesserungsbedarf gibt.

DOMRADIO.DE: Was ist die zentrale Kritik in dem offenen Brief, den Sie heute veröffentlicht haben?

Alt: Es geht uns darum, dass wir eine Diskussion in Bayern zu den Kennzeichen christlicher und sozialer Politik in Gang bringen. Wir machen auch einen Vorschlag, was aus unserer Sicht solche Kennzeichen sind. Ich zitiere aus dem offenen Brief: "Eine Politik ist unserer Meinung nach dann christlich und sozial, wenn sie sich verantwortungsvoll an den Realitäten einer zunehmend globalisierten Welt orientiert, diese den Wählerinnen und Wählern vermittelt, verkürzende Symbolpolitik ablehnt und christliche, am Evangelium orientierte Werte nicht nur in Parteiprogrammen, sondern auch in konkreten tagespolitischen Entscheidungen zum Ausdruck bringt." Und hier finden wir, dass in Bayern Rhetorik und Realität ziemlich weit auseinanderdriften – auch unter dem Einfluss des bevorstehenden Landtagswahlkampfes.

DOMRADIO.DE: Sie gehen in ihrem Brief hart mit der CSU ins Gericht. Sie nennen sie "den Biedermann für die Brandstifter", die ihre "christlichen Werte über Bord werfen". Machen sie das alles nur, um den Landtagswahlkampf im Herbst zu gewinnen?

Alt: Wir stellen fest, dass in Deutschland seit einigen Monaten am rechten Rand kräftige Zuwächse stattfinden, weil natürlich viele Bürgerinnen und Bürger von Entwicklungen verunsichert sind, die in dieser Welt stattfinden. Populisten und Nationalisten haben dort einfache Antworten. Sie haben Sündenböcke. Das ist gefährlich, weil das die Probleme nicht beseitigen wird. Ich hätte von einer Volkspartei mit einer Tradition, wie die CSU sie hat, mehr erwartet, als dass man versucht, am rechten Rand zu fischen. Ich denke, nicht jedes Mittel rechtfertigt jeden Zweck und umgekehrt. Ebenso denke ich, dass es ganz wichtig ist, dass man solchen Brandstiftern am rechten Rand entgegentritt und nicht entgegenkommt.

DOMRADIO.DE: Ein Mitunterzeichner, Pfarrer Burkhard Hose, Theologe und Hochschulseelsorger in Würzburg geht sogar noch einen Schritt weiter. Er schreibt, "das Kreuz werde als Waffe gegenüber Menschen anderer Religion und Herkunft missbraucht." Sie verurteilen demnach den Erlass, dass ab 1. Juni Kreuze in allen Amtsstuben hängen sollen?

Alt: Jetzt müssen wir ganz schwer differenzieren. Zunächst ist das Burkhard Hoses Meinung und nicht meine. Zweitens geht es nicht darum, dass in allen Amtsstuben Kreuze hängen, sondern lediglich in Eingangsbereichen. Und drittens wurde vor kurzem auch kundgetan, dass man nicht überprüfen möchte, ob dieser Erlass umgesetzt wird. Ich weiß von einigen Behörden und Dienststellen, die sagen, dass sie keine Kreuze aufhängen. In Deutschland besteht eine Trennung von Staat und Religion und es sollte so sein, dass staatliche Dienststellen den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes dienen. Darunter befinden sich sehr viele, die keine Christen sind, die anderen Religionen angehören oder die Atheisten und Agnostiker sind. Mit einem Kreuz in den Vorzimmern der Dienststellen polarisiert man das Land, irritiert Leute und stößt sie vor den Kopf. Ich denke, man muss einfach auch den Realitäten unserer zunehmend pluralistischen Gesellschaft Rechnung tragen.

DOMRADIO.DE: Wissen Sie, ob Markus Söder und seine Parteikollegen von Ihrem Brief Notiz genommen haben? Gibt es schon Reaktionen?

Alt: Es wird heftig im Internet diskutiert. Ich bin relativ sicher, dass man in der Leitung der CSU von unserem Brief weiß. Kontakte rissen ja trotz aller Schwierigkeiten nie ab. Es ist ja immerhin sogar schon angeregt worden, einen offenen Tisch zu dem Thema Werte einzurichten. Nur sagen wir, das ist der falsche Weg, erst etwas in die Welt rauszuhauen und Leute zu provozieren und dann zu einem offenen Tisch einzuladen. Wir haben, nachdem wir diese Einladung zu dem offenen Tisch vernommen haben, unseren offenen Brief nicht abgeblasen. Natürlich sind wir bereit, mit der CSU zu reden. Deswegen richtet sich der Brief ja auch an die Parteileitung und alle Mitglieder. Aber wir möchten es nicht zu einer Runde kommen lassen, an deren Ende es heißt: "Schön, dass wir uns getroffen haben." Deswegen haben wir auch an die bayerischen Wähler geschrieben.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Der Nürnberger Jesuit und Priester Jörg Alt / © Anestis Aslanidis (epd)
Der Nürnberger Jesuit und Priester Jörg Alt / © Anestis Aslanidis ( epd )
Quelle:
DR
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