Galen war zerrissen zwischen Gewissen und Gehorsam

"Keine Heldengestalt"

Der vor 75 Jahren gestorbene Kardinal Clemens August von Galen sollte nach Ansicht von Kirchenhistorikern nicht "als Widerstandskämpfer stilisiert" werden. Er war wegen seines Protestes gegen die NS-Morde an Behinderten bekannt.

Clemens August Graf von Galen (KNA)
Clemens August Graf von Galen / ( KNA )

"Er war keine Heldengestalt, hat aber in einem zentralen Punkt außerordentliche Zivilcourage bewiesen", sagte der Galen-Forscher Hubert Wolf in Münster dem Evangelischen Pressedienst (epd). Kardinal von Galen ist am 22. März 1946 gestorben, 2005 wurde er von der katholischen Kirche seliggesprochen.

Die öffentliche Erinnerung an Galen, der von 1933 bis 1946 Bischof von Münster war, sei bis heute durch das "Heldenepos" seiner kritischen Predigten aus dem Sommer 1941 geprägt, erklärte Matthias Daufratshofer, der an der Forschungsstelle für die Geschichte des Bistums Münster arbeitet. Reliquien Galens werden in mehreren Kirchen des Bistums und auch in Berlin gezeigt, Denkmäler stehen zum Beispiel in Münster und Haltern.

Verbindungen zum Papst genutzt

Gerade von Galen sei anfangs der Mut zu öffentlichem Protest gegen NS-Unrecht nicht unbedingt erwartet worden, sagte der Kirchenhistoriker und Hochschullehrer Wolf. Doch sei er früher als die meisten anderen in der Bischofskonferenz auf eine oppositionelle Linie eingeschwenkt.

Weil sich Galen mit der Forderung nach öffentlichem Protest aber dort nicht durchsetzen konnte, nutzte er seine guten Verbindungen zum Papst und regte die NS-kritische Enzyklika "Mit brennender Sorge" an - "eine überraschende Rolle für einen Mann aus der dritten Reihe", wie Wolf betonte.

"Überzeugung des Glaubens infrage gestellt"

Galen wurde nach Einschätzung der Forscher in der NS-Zeit zwischen seinem Gewissen und dem - ihm vom streng katholischen Elternhaus eingeimpften - Gehorsam gegenüber jeglicher Obrigkeit zerrissen. Immer öfter habe sich aber sein Gewissen durchgesetzt. Bis zu seinen Predigten 1941 habe Galen Zeit gebraucht - einen "Märtyrertod" habe der Bischof dann aber bewusst mit einkalkuliert, erklärte Daufratshofer.

"Als Galen klarwurde, dass Menschen wegen ihrer Behinderung umgebracht werden, sah er zentrale Überzeugungen des Glaubens infrage gestellt und nahm kein Blatt vor den Mund", bestätigte Geschichtsprofessor Wolf. Seine begeisterte Zustimmung zum Russland-Feldzug und der nach bisheriger Quellenlage ausbleibende Protest gegen die Judenverfolgung blieben jedoch indiskutabel und schwierig, sagte der Experte. 

Clemens August Kardinal von Galen

Mit dem Ehrentitel "Löwe von Münster" ging Kardinal Clemens August von Galen in die Geschichte ein. Vor 75 Jahren hielt er seine berühmten Predigten gegen die totalitäre Herrschaft der Nazis. Sie wurden unter der Hand in ganz Deutschland und an allen Fronten verbreitet.

Clemens August Graf von Galen (KNA)
Clemens August Graf von Galen / ( KNA )
Quelle:
epd