Niemand geringeres als Dieterich Buxtehude war einer der Vorgänger Ungers an der traditionsreichen Marienkirche. Für die Musikentwicklung und besonders für die norddeutsche Orgeltradition spielt die gotische Backsteinkirche eine herausragende Rolle.
Dennoch präsentierte Unger bei seinem Konzert am diesem Dienstag ab 20 Uhr vor allem Werke aus der Romantik und Moderne. ist in voller Länge in unserer Mediathek zu sehen. Das komplette Konzert finden Sie hier in unserer Mediathek.
Zwei Orgel-Bearbeitungen von Franz Liszt eröffnen das Programm. Grundlage sind je Werke von Johann Sebastian Bach – einmal der beeindruckende Schlusschor der Kantate "Ich hatte viel Bekümmernis" und die c-moll-Sonate für Violine und Cembalo BWV 1017. Franz Liszt war im 19. Jahrhundert ein gefeierter Pianist, doch er wandte sich verstärkt der Orgel als "Königin der Instrumente" zu und transkribierte eigene und Werke von anderen Komponisten für die Orgel.
Spätromantik und Moderne im Gepäck
Max Reger ist bis heute ein Schwergewicht der Orgelliteratur am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert, oft genug mit komplizierter Harmonik und ausladenden Werken. Johannes Unger spielt aber ein Werk, das aber eher mit "kurzen Formen und ausgedünnter Instrumentation" daherkommt, wie der Marienorganist im Programmheft schreibt. Er spielt von den "Neun Stücken für die Orgel" op. 129 fünf Nummern.
César Franck wiederum ist ein Großmeister der französischen Orgelromantik und ist mit dem "Pièce en mi bémol" vertreten.
Musik aus dem 21. Jahrhundert erklingt auch im Kölner Dom – Georg Baker ist Organist, Komponist, Hochschullehrer - und Mediziner, wie Unger betont. Das Werk ist Notre Dame in Paris und dem ehemaligen Domorganisten Pierre Cochereau gewidmet und lässt gregorianische Melodien einfließen.
Widor, Vater der Orgelsinfonie
Zum Abschluss erklingt Musik von einem Klassiker der Orgelliteratur – Charles-Marie Widor gilt als "Vater der Orgelsinfonie", vor allem das Finale aus der 5. Orgelsinfonie ist sehr berühmt. Widor dachte die Orgel wie ein Sinfonieorchester und schrieb unter dieser Prämisse 10 Sinfonien für das Instrument.
Widor war lange Jahre Organist an der berühmten Kirche St. Sulpice in Paris. Zurzeit ist diese Kirche die "Ausweichkathedrale" von Paris, da ja Notre Dame nach dem schweren Brand nach wie vor nicht genutzt werden kann. Zum Ausklang des Konzertes im Kölner Dom spielt Unger das Finale aus der 7. Sinfonie von Widor – angesichts der Größe des Raums des Domes wird auch diese Orgelfeierstunde sicher nicht nur für Freunde der Orgelmusik ein weiteres, besonderes Konzert.
Lübecker Marienkirche gilt als "Mutter der Backsteingotik"
Große Räume ist Johannes Unger als Organist der Marienkirche bestens gewohnt. Denn sie hat das höchste Backsteingewölbe der Welt mit 38,5 Meter im Mittelschiff und gilt als "Mutter der Backsteingotik". Erbaut wurde die Marienkirche in der Zeit von 1277 bis 1351.
Berühmt ist die evangelische Kirche auch für ihre Ausstattung, von der aber vieles im II. Weltkrieg verloren ging, allem voran der berühmte Lücker Totentanz (Darstellung ursprünglich von 1463) verbrannte bei einem verheerenden Bombenangriff 1942 zusammen mit vielen anderen Kunstwerken und der berühmten Totentanz-Orgel, auf der neben Buxtehude auch Johann Sebastian Bach gespielt haben dürfte.
Nach Kriegsverheerungen neue "Totentanzorgel"
Heute gibt es eine neue Totentanzorgel von Orgelbau Führer mit 56 Registern aus dem JAhr 1985, die vor allem als Chororgelgenutzt wird und die Hauptorgel von 1968, gebaut von Kemper & Sohn. Die große Orgel besitzt auf fünf Manualen und Pedal 101 klingende Stimmen mit 8512 Pfeifen.
Die Kirchenmusik hat eine lange Tradition in der Stadt, die auf die Kirchenmusiker der Marienkirche zurückgehende Lübecker Abendmusik gilt als älteste Konzertreihe der Welt. Berühmte Marienorganisten waren Franz Tunder und vor allem Dieterich Buxtehude, der vor allem von Johann Sebastian Bach besonders geschätzt wurde – Johannes Unger ist der 10. Nachfolger Buxtehudes.
Wie alle Orgelfeierstunden in diesem Jahr hat DOMRADIO.DE auch dieses Konzert live in Ton und Bild im Internet, auf den Facebook-Seiten von DOMRADIO.DE und der Kölner Dommusik, bei Youtube und dem Fernsehsender EWTN übertragen.