Versöhnungstreffen im Mittelpunkt der Papstreise

"Hoffnung auch für die, die Böses getan haben"

Das Versöhnungstreffen im kolumbianischen Villavincencio war dem Papst ein dringendes Anliegen. "Vom ersten Tag an habe ich den Moment unseres Treffens herbeigesehnt“, sagte er über die wohl wichtigste Begegnung seiner Reise.

 Papst Franziskus spricht bei dem Gebetstreffen zur nationalen Versöhnung im Park Las Malocas in Villavicencio  / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus spricht bei dem Gebetstreffen zur nationalen Versöhnung im Park Las Malocas in Villavicencio / © Paul Haring ( KNA )

Bei einem großen Versöhnungstreffen im kolumbianischen Villavicencio hat Papst Franziskus Opfern und Tätern des Bürgerkriegs für ihre sehr persönlichen Zeugnisse gedankt. Er sei hier, um den Menschen zuzuhören und von ihnen zu lernen, sagte er sichtlich bewegt am Freitagnachmittag (Ortszeit) in einem Park der Großstadt, die einst ein Epizentrum des Konflikts war.

Zuvor hatten bei der Feier dort vier Personen berichtet, welches Leid sie erlebt oder auch anderen zugefügt haben. Ein Ex-Guerillero und eine Angehörige der Paramilitärs berichteten aus der Sicht der Täter; aus der Sicht der Opfer eine vierfache Mutter nach einer Minenexplosion der Guerilla sowie eine Frau, deren engste Angehörige von Paramilitärs ermordet wurden. Sie alle berichteten, wie sie versuchen, damit fertig zu werden, um zu verzeihen oder Sühne zu leisten.

Tränen im Saal

Die 34-minütige Ansprache des Papstes rührte die vier Zeugen sowie viele Zuhörer im Saal zu Tränen. Wie im Gottesdienst am Vormittag ging es auch am Nachmittag um das Thema Versöhnung. Anders als zuvor bei der Messe nahmen hier auch Vertreter anderer Konfessionen und Religionen teil. Der Erzbischof von Villavicencio, Oscar Urbina, benannte Beispiele für "die mehr als acht Millionen Opfer" jahrzehntelanger Gewalt: 984.507 Getötete, 166.407 Verschwundene, 16.340 Ermordete, 1.982 Massaker, 35.092 Entführte, 19.684 Opfer sexueller Gewalt, 6.421 Zwangsrekrutierte sowie 12.000 Menschen mit Amputationen.

Franziskus gestand ein, es sei sehr schwierig, den Kreislauf von Hass, Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen. Aber alle seien Opfer dieses Kreislaufs, unschuldige wie schuldige. "Es gibt Hoffnung auch für die, die Böses getan haben", erklärte der Papst. Aber im "Regenerationsprozess der Täter" müsse "Gerechtigkeit walten".

"Heilen wir den Schmerz"

Franziskus ging auch auf die verbreitete Skepsis gegenüber dem Friedensprozess ein: Es sei "schwer, den Wandel derer zu akzeptieren, die grausame Gewalt angewandt haben".

"Heilen wir den Schmerz und nehmen jeden Menschen auf, der Straftaten begangen hat, sie bekennt, bereut und sich zu Wiedergutmachung verpflichtet", so der Papst. Allerdings sei es unverzichtbar, der Wahrheit Genüge zu tun. Diese dürfe freilich nicht zu Rache führen, sondern zu tragfähiger Versöhnung und Vergebung.

Hass ist nicht das letzte Wort

Im Mittelpunkt der Feier, die mit einem szenischen und gesungenen Vortrag des 85. Psalms (Gottes Frieden für sein Volk) begann, stand das "Kreuz von Bujaya". Bei einem Bombenattentat der FARC-Guerilla auf die Kirche des Dorfes am 2. Mai 2002 waren 86 Menschen getötet und viele verwundet worden. Sie hatten in der Kirche vor Kämpfen zwischen Guerilla und Paramilitärs Zuflucht gesucht. Dem Korpus des Kruzifix wurden damals beide Beine und beide Arme abgerissen.

"Christus so zu sehen, verstümmelt und verwundet, ist ein Weckruf an uns alle", sagte der Papst. "Zerbrochen und amputiert" zeige er, "dass er gekommen ist, um für sein Volk und mit seinem Volk zu leiden" und zu lehren, "dass der Hass nicht das letzte Wort hat, dass die Liebe stärker ist als Tod und Gewalt". Ausführlich dankte der Papst den Jugendlichen, die erzählten, wie sie von der Guerilla rekrutiert wurden, und der Frau, deren Mann und Kinder nacheinander von Paramilitärs ermordet wurden. Nach jedem der vier Zeugnisse wurde vor dem Kruzifix eine Kerze entzündet.

Papst segnet in Kolumbien Baum der Versöhnung

In einem symbolischen Akt hat Papst Franziskus vor dem "Kreuz der Versöhnung" im kolumbianischen Villavicencio gebetet. Im Beisein von Staatspräsident Juan Manuel Santos und dessen Frau drückte er damit am Freitagnachmittag (Ortszeit) seine Unterstützung für den Friedensprozess in dem südamerikanischen Land aus. Das Kirchenoberhaupt aus Argentinien legte zu Füßen des Kreuzes, auf dessen Sockel die Zahlen der Opfer des bewaffneten Konflikts angebracht sind, weiße Blumen nieder und verharrte einige Minuten im stillen Gebet. 

Im Rahmen der kleinen Zeremonie wurde auch ein "Baum des Friedens" gepflanzt. Der Papst reichte die Erde an zwei Kinder weiter; sie sollten die Zukunft des Landes ohne Krieg und Gewalt symbolisieren. Der Feier wohnten 400 Kinder sowie Vertreter indigener Gemeinden bei.


Papst Franziskus vor einer Christusstatue ohne Arme und Beine während eines Versöhnungstreffens in Villavicencio (Kolumbien) / © Andrew Medichini (dpa)
Papst Franziskus vor einer Christusstatue ohne Arme und Beine während eines Versöhnungstreffens in Villavicencio (Kolumbien) / © Andrew Medichini ( dpa )
Quelle:
KNA
Mehr zum Thema