Wie Seelsorge in Zeiten einer Krise gelingt

"Unsere Kirchen sind zu, aber wir sind da"

Obwohl Seelsorger mit Notfällen vertraut sind – die Corona-Krise ist auch für sie neu. Kreative Gedanken gibt es viele: vom Gottesdienst "to go" bis zur konkreten Nachbarschaftshilfe. Auch das Festnetztelefon bekommt eine ganz neue Bedeutung.

Seniorin am Telefon / © Bacho (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Sie wären am vergangenen Sonntag offiziell in ihrer neuen Gemeinde als Pfarrerin eingeführt worden. Die Predigt war schon fertig und dann kam der Beschluss, dass es erst einmal keine öffentlichen Gottesdienste gibt. Es sollte Ihr offizieller Start als Pfarrerin werden. Wie ging es Ihnen damit? 

Pfarrerin Mareike Maeggi (Evangelische Kirchengemeinde Köln-Klettenberg): Ja, das war natürlich eine schwere Entscheidung, die wir da treffen mussten. Die haben wir als Gemeinde nämlich auch schon vor diesem offiziellen Beschluss der Stadt getroffen, aus Sorge um die Gäste, die von vielen Orten anreisen würden und aus Sorge um die älteren Gemeindemitglieder. Das war ein schwerer Schritt. Einen gemeinsamen Start und den Segen, den man für diesen Weg mitbekommt, habe ich vermisst. Aber natürlich war das absolut dran. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Wir feiern später.

DOMRADIO.DE: Die Gemeinde wird sie sicher dann nochmal kräftig willkommen heißen, wenn das Ganze vorüber ist. Was machen Sie denn jetzt, wenn die Kirche sonntags leer ist? In welcher Form arbeiten Sie jetzt weiter?

Maeggi: Ja, das ist erst mal eine Situation, in der wir alle ankommen müssen. Das gab es so noch nicht und es ist auch gar nicht so leicht. Aber bei aller Irritation und auch Traurigkeit über die fehlenden Gottesdienste und Gruppen, bin ich ganz überrascht, wie viel Kreativität sofort kam – bei Ehrenamtlichen in unserer Gemeinde, aber auch von Kolleginnen und Kollegen aus Nachbargemeinden.

Es gab sofort Ideen für Videos auf den Homepages. Wir haben "Segen zum Mitnehmen" ins Veedel gehängt. Ebenso haben wir einen Gottesdienst "to go" vor die Kirchentür gehängt, den man sich auch downloaden kann. Gerade was Gottesdienste angeht, versuchen wir, gute digitale und analoge Möglichkeiten zu schaffen, sodass wir trotzdem in Gemeinschaft feiern können.

DOMRADIO.DE: Welche Alternativen zum Sonntagsgottesdienst haben Sie sich noch überlegt?

Maeggi: Wir laden mit unserem Glockengeläut ein. Wir läuten weiter zum Gottesdienst sonntags morgens um 9.30 Uhr. Wenn man möchte kann man den Gottesdienst "to go" zu Hause auf der Couch oder am Küchentisch – wie auch immer – mitlesen, mitfeiern und sich gewiss sein, das tun auch andere Menschen in der Gemeinde jetzt zur gleichen Zeit.

DOMRADIO.DE: Es gibt also wirklich eine Zeit, wo alle gemeinsam, auch an unterschiedlichen Orten, zum Gebet zusammenkommen?

Maeggi: Genau das ist die Idee. Das lässt sich natürlich auch zu jeder anderen Zeit feiern. Aber durch die Glocken, die läuten, lassen wir uns einfach erinnern: jetzt beten wir gemeinsam. Wir sind nicht alleine, weil die Glocken hören alle in ihren Wohnungen und auf den Balkonen. Das ist schon ein gutes Gefühl.

DOMRADIO.DE: Außerdem haben Sie ja gemeinsam mit der katholischen Kirchengemeinde in Köln-Sülz eine Corona-Nachbarschaftshilfe gestartet. Was hat es damit genau auf sich?

Maeggi: Ja, das kam ganz schnell durch Mitarbeiter und Ehrenamtliche in beiden Gemeinden, die sich das überlegt haben. Über eine Nummer oder eine E-Mail-Adresse, die Sie auf unseren Homepages finden – also von den katholischen und evangelischen Gemeinden in Sülz-Klettenberg – kann man sich Hilfe holen: zum Einkaufen, zum Abholen von Medikamenten, zum Ausführen des Hundes für Menschen, die zu den Risikogruppen gehören und die jetzt besonders lieber drinnen bleiben sollen.

DOMRADIO.DE: Auch bei Ihnen zuhause ist Einiges los. Neben der Arbeit, die Sie weiterhin als Seelsorgerin zu tun haben, betreuen Sie auch noch Ihre Kinder. Die sind ein und fünf Jahre alt. Haben Sie jetzt am Wochenende tatsächlich ein bisschen mehr Familienzeit oder ist es um einiges stressiger?

Maeggi: Die Arbeit verteilt sich jetzt etwas anders, weil man nicht mehr die festen Zeiten der Betreuung unter der Woche hat. Das heißt, man muss sich immer seine Orte suchen: Wo kann ich arbeiten, wo gucken gerade die Kinder die Sendung mit der Maus, wo schaffe ich etwas weg? Von daher werde ich auch am Wochenende sicherlich hin und wieder arbeiten, aber meine Kinder sind natürlich im Fokus. Sie sind da und sie machen sich bemerkbar – auch wenn ich versuche, eine Videokonferenz zu machen.

DOMRADIO.DE: Schauen wir doch mal ganz kurz auf Ihre wichtige Aufgabe als Seelsorgerin. Sie müssen ja irgendwie weiter auch ansprechbar sein für die Gläubigen. Wie kann man Sie erreichen?

Maeggi: Ich bin ansprechbar auf allen üblichen Kanälen per E-Mail, tatsächlich auch über Social Media. Ein ganz besonderes Revival erlebt das Festnetztelefon. Es bekommt noch nochmal eine ganz neue Bedeutung, da habe ich eigentlich gar nicht so viel mitgearbeitet. Jetzt ist es aber die Lebenslinie, sag ich mal, wo mich viele Leute, die eben nicht digital unterwegs sind, am am leichtesten erreichen und worüber ich auch versuche, Gemeindemitglieder anzurufen. Das ist diese Woche noch nicht so stark. Ich rechne damit, dass es deutlich mehr wird. Die Botschaft ist auch ganz klar: Unsere Kirchen sind zu, aber wir sind da.


Quelle:
DR
Mehr zum Thema