"Seit 35 Jahren setzen wir uns in der Kirche mit dem Thema immer nur psychologisch, psychiatrisch, kirchenrechtlich und strafrechtlich auseinander - das finde ich sehr bezeichnend", sagte der Präsident des Kinderschutzzentrums an der Päpstlichen Universität Gregoriana (Rom) am Mittwochabend in Leipzig."Wir haben um das Thema in unserem Innersten einen Riesenbogen gemacht - wir haben zum Beispiel keine Liturgie, in der sich Betroffene ausdrücken können."
2018 - Wendepunkt im Umgang mit Missbrauch
Der 52-jährige Theologe und Psychologe sagte, er beobachte weltweit, dass immer mehr Gläubige den Eindruck hätten: "Die Bischöfe führen zwar viele Maßnahmen zur Missbrauchsprävention in ihren Bistümern ein - aber sie tun es nur aufgrund des Drucks von außen, aber nicht aus dem Herzen heraus, nicht weil es das Evangelium gebietet." Er vermisse in der kirchlichen Diskussion die Frage: "Was will Gott uns mit diesem Thema, diesem Skandal sagen?", so Zollner. Er glaube, die Kirche müsse sich dem theologisch sehr grundsätzlich stellen.
Der Jesuit bezeichnete das Jahr 2018 als "Wendepunkt" für den Umgang der katholischen Kirche mit Missbrauch: "Der Blick richtet sich nicht mehr nur auf den Einzelfall, sondern das System als solches steht jetzt auf dem Prüfstand. Das ist neu."
Jede Ortskirche mache dieselben Fehler
Zollner betonte: "Wenn die deutschen Bischöfe sich 2002 ein Beispiel an den US-Bischöfen genommen hätten, welche Konsequenzen diese aus dem Missbrauchsskandal in Amerika gezogen haben, wäre die Situation in Deutschland heute eine andere." Jede Ortskirche mache dieselben Fehler, statt von anderen zu lernen. Das setze sich immer noch fort.
Zollner ist einer der führenden kirchlichen Fachleute auf dem Gebiet des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche. Er war maßgeblich an der Vorbereitung des Anti-Missbrauchsgipfels im Vatikan beteiligt, der im Februar mit Bischöfen aus aller Welt stattfand.