Für Juli wird eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erwartet. Der Sonderstatus der Kirchen im deutschen Arbeitsrecht steht weiter in der Kritik. Die Politikwissenschaftlerin Corinna Gekeler beklagte am Dienstagabend in Düsseldorf, ein "massiver Gebrauch von Sonderrechten" führe in kirchlichen Einrichtungen zu einer "systematischen Diskriminierungspraxis".
Kirchen weisen Kritik zurück
Vertreter der Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonie wiesen die Vorwürfe in einer Diskussion an der Hochschule Düsseldorf zurück und verwiesen auf die Bedeutung christlicher Werte für die Tätigkeit in kirchlichen Einrichtungen. "Wir schließen grundsätzlich niemanden aus", betonte der Vorstandsvorsitzende des Caritasverbands Düsseldorf, Henric Peeters.
Beschäftigte müssten aber hinter den Werten und der Grundordnung der Einrichtung stehen. Dazu passe nun einmal nicht, dass jemand während seiner Anstellung aus der Kirche austrete. Ähnlich argumentierte Gabriele Fischmann-Schulz von der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. "Es geht uns um eine innere Ordnung", sagte die Arbeitsrechtsexpertin.
"Wenn man Diakonie macht, muss auch Diakonie drin sein", sagte Fischmann-Schulz. Beschäftigte in verkündigungsnahen Tätigkeiten, die einen direkten Bezug zur Glaubenslehre haben, müssten bei der Diakonie zwingend evangelisch sein, "weil wir eine evangelische Einrichtung sind". Wenn ein Beschäftigter aus der Kirche austrete, dürfe dies aber nicht automatisch zu einer Kündigung führen, betonte die Diakonie-Expertin: "Wir sollten dann zunächst das Gespräch suchen."
Auf Grundrechte verzichten?
Nach Ansicht der Politologin Gekeler müssen Beschäftigte von Einrichtungen der Caritas und der Diakonie auf Grundrechte verzichten, weil sie damit rechnen müssten, im Fall eines Kirchenaustritts ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Davon seien auch Mitarbeiter wie Hausmeister oder Reinigungskräfte betroffen.
Begründet werde dies mit einer Loyalitätspflicht gegenüber einer Dienstgemeinschaft mit besonderen Regeln. Gekeler wirft den Kirchen deshalb seit Jahren Diskriminierung vor.
Ver.di-Gewerkschaftssekretär Berno Schukart-Witsch forderte in der Diskussion eine Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts, weil es nicht mehr gebraucht werde. Das Thema Loyalitätspflicht gegenüber einem Arbeitgeber sei auch im weltlichen Arbeitsrecht hinreichend geklärt. Daher sollten sich die Kirchen für Tarifverträge öffnen, die mit der Gewerkschaft ausgehandelt werden.
Auf diese Weise könne auch der Zustrom von qualifiziertem Personal etwa für Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft gesichert werden, sagte der Gewerkschaftssekretär. Erste Beispiele gebe es in Niedersachsen und Baden-Württemberg, wo ver.di inzwischen entsprechende Vereinbarungen mit diakonischen Trägern vereinbart hat.
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erwartet
Für Mitte Juli wird eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den Kirchen-Sonderstatus im deutschen Arbeitsrecht erwartet. Das Bundesverfassungsgericht hatte in den Jahren 2014 und
2015 die Sonderrechte der Kirchen als Arbeitgeber inklusive eines Streikverbots gestärkt. Staatliche Gerichte dürften sich nicht in die Kompetenz des kirchlichen Gesetzgebers einmischen und definieren, wie weit die Loyalitätsforderungen der Religionsgemeinschaft gehen, erklärten die Richter.
Mit mehr als einer Million Beschäftigten gehören Caritas und Diakonie zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Zu der Diskussion hatte der Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Düsseldorf eingeladen, weil die kirchlichen Wohlfahrtsverbände wichtige potenzielle Arbeitgeber für Absolventen des Studiums der Sozialen Arbeit sind.