Seit 15 Jahren ist der Internationale Strafgerichtshof aktiv

Suche nach Recht und Gerechtigkeit

Vor 15 Jahren nahm der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seine Arbeit auf. Erfolge und Rückschläge liegen seitdem eng beieinander. Schlaglichter aus der Geschichte einer weltweit einzigartigen Institution.

Autor/in:
Joachim Heinz und Inga Kilian
Angeklagter vor Gericht / © Marijan Murat (dpa)
Angeklagter vor Gericht / © Marijan Murat ( dpa )

Den Anfang machte eine Postanschrift. "Internationaler Strafgerichtshof (ICC) Postfach 19519, 2500 CM Den Haag, Niederlande" - so lautete die Adresse, die ab dem 1. Juli 2002 sozusagen offiziell in Betrieb genommen wurde. An diesem Tag vor 15 Jahren hatten die erforderlichen 60 Staaten das Römische Statut ratifiziert, auf dessen Grundlage das Gericht in den Niederlanden arbeitet. Es handelt sich um eine einzigartige Institution.

Das Gericht soll, so erläutert der deutsche Völkerstrafrechtler Benjamin Dürr, "'im Namen der Völker' weltweit und auf Dauer, also nicht im Rahmen eines zeitlich und auf ein bestimmtes Ereignis begrenzten Tribunals, das Recht auf gleiche Weise anwenden und dadurch Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz schaffen". Und zwar ganz egal, "ob jemand als Präsident oder Rebellenführer Bürger seines Landes getötet oder gefoltert hat oder ob jemand als Bürger Opfer von Gewalt wurde".

Erfolge und Rückschläge liegen eng beieinander

Ein weites Feld, das die inzwischen 800 Mitarbeiter aus 100 Ländern unter Präsidentin Silvia Alejandra Fernandez de Gurmendi aus Argentinien zu beackern haben. Erfolge und Rückschläge liegen eng beieinander, wie ein Blick auf die vergangenen Monate zeigt. Im März gab es eine Premiere, als die Richter in Den Haag erstmals Opfern von Kriegsverbrechen Einzelentschädigungen zuerkannten.

Es ging um einen brutalen Rebellenangriff auf ein Dorf im Nordosten des Kongo. Den 297 direkt Betroffenen wurde eine symbolische Wiedergutmachung von 250 US-Dollar (Tageskurs: 220 Euro) pro Person zugesprochen. Außerdem sollen die Bewohner des Dorfes langfristig etwa psychologische Unterstützung und Hilfen beim Aufbau einer neuen beruflichen Existenz erhalten. Im Zentrum des Verfahrens stand der für den Überfall verantwortliche Milizenführer Germain Katanga, der für die Wiedergutmachung den Anteil von einer Million US-Dollar (Tageskurs: 880.000 Euro) übernehmen sollte.

Ermittlungen fast ausschließlich in Afrika

Zugleich warf dieser Prozess allerdings auch ein Schlaglicht auf die Schwächen des Gerichtshofs. Erstens ist der Weg zur Gerechtigkeit lang und steinig. Bislang haben die Betroffenen noch kein Geld gesehen; Katanga ist zahlungsunfähig. Zweitens wurde bislang fast ausschließlich in Afrika ermittelt. Was unter anderem damit zu tun hat, dass einflussreiche Länder wie die USA immer noch nicht dem Römischen Statut beigetreten sind und deswegen vom Strafgerichtshof auch nicht belangt werden können.

Mit Burundi, Südafrika und Gambia erklärten im vergangenen Jahr gleich drei afrikanische Staaten, die Zusammenarbeit mit Den Haag aufkündigen zu wollen. Während der Austritt für die Menschen in den betroffenen Staaten zumindest vorerst keine Konsequenzen habe, da die Ermittlungen des ICC, einmal eingeleitet, auch nach einem Austritt weitergeführt würden, drohe dem Gericht selbst ein Image- und Glaubwürdigkeitsverlust, so Dürr. "Den Haag ist mit dem Anspruch angetreten, ein Weltgericht zu sein - dieses Ideal wird durch die Rücktritte in Frage gestellt."

Den Staaten, die im ICC ein Instrument der internationalen Gemeinschaft zur Unterdrückung afrikanischer Staaten sehen, hält der Völkerstrafrechtler entgegen, jeder Staat habe die Möglichkeit, das Gericht auszuschalten. "Und zwar, indem er selbst eine Untersuchung einleitet". Den Haag greife nur dann ein, wenn ein Nationalstaat von sich aus nicht tätig werde.

Zufriedene Bilanz

Chefanklägerin Fatou Bensouda aus Gambia zog Ende vergangenen Jahres im "Spiegel" dessen ungeachtet eine zufriedene Bilanz. Der Strafgerichtshof erhalte die Unterstützung von etwa zwei Drittel der Mitglieder der Vereinten Nationen. Sie treibe die Vorstellung an, "dass wir den Opfern eine Stimme geben müssen".

Und der Vorwurf, dass nur Afrika in Den Haag im Fokus steht, wurde zuletzt im April widerlegt. Da reichte Rechtsanwalt Jude Jose Sabio Klage gegen den philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte wegen "Massenmords" ein. Duterte habe in den 20 Jahren als Bürgermeister der Großstadt Davao und jetzt als Präsident der Philippinen "außergerichtliche Tötungen" von Kriminellen sowie angeblichen Drogenkonsumenten und -dealern zu verantworten, hieß es zur Begründung.


Quelle:
KNA