Politiker und Verbände kritisieren geplante Abschiebung nach Afghanistan

"Faktenfreie Spekulationen, die Menschenleben gefährden"

Pro Asyl hat die für diesen Mittwoch geplante Sammelabschiebung nach Afghanistan kritisiert. Protest kommt auch von Grünen, Linken und kirchlichen Verbänden. Bund und Länder wollen etwa 20 Männer in die afghanische Hauptstadt Kabul ausfliegen.

Abschiebung abgelehnter Asylbewerber / © Boris Roessler (dpa)
Abschiebung abgelehnter Asylbewerber / © Boris Roessler ( dpa )

Abschiebungen nach Afghanistan basierten auf "faktenfreien Spekulationen, die Menschenleben gefährden", heißt es in einer am Mittwoch in Frankfurt veröffentlichten Mitteilung. Weiterhin liege keine aktuelle Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes vor. Das Vorgehen der Bundesregierung sei "in keiner Weise mit der sich immer weiter verschärfenden Lage im Land" zu vereinbaren. Bei der aktuellen Sammelabschiebung soll es sich um rund 20 abgelehnte Asylbewerber handeln.

Pro Asyl appellierte an die Innenminister der Bundesländer, sich bei der bevorstehenden Konferenz erneut realitäts- und sachorientiert mit der Lage in Afghanistan auseinanderzusetzen und Abschiebungen auszusetzen. "Die Spirale der Inhumanität muss gestoppt werden", forderte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl.

Kritik auch von Linken und Grünen

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke erklärte, es dürfe kein Kriterium für eine Abschiebung in Krieg und Terror sein, ob jemand eine Straftat begangen habe. Menschen in ein Kriegsgebiet abzuschieben, sei weder eine strafrechtlich noch menschenrechtlich legitime Sanktion.

Die Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg sagte, die Sicherheitslage habe sich in Afghanistan in den vergangenen zwölf Monaten erheblich verschlechtert. Sie fordere deshalb die Bundesregierung auf, die Abschiebungen einzustellen und einen überarbeiteten Lagebericht vorzulegen.

"Kriterien werden nicht eingehalten"

Der ökumenische Verein "matteo - Kirche und Asyl" und der Bayerische Flüchtlingsrat sind ebenfalls gegen die Abschiebung. Die im Mai aufgestellten Kriterien für die Auswahl der Personen würden dabei nicht eingehalten, heißt es in einer in Nürnberg veröffentlichten Stellungnahme von "matteo". Zumindest treffe es für Bayern zu, dass es nicht ausschließlich um Gefährder oder Straftäter gehe. Vielmehr würden "auch gut integrierte, unbescholtene Menschen" abgeschoben.

Der Flüchtlingsrat verweist in einer in München veröffentlichten Erklärung darauf, dass in mindestens zwei bayerischen Fällen die Kategorie "hartnäckige Identitätstäuscher" nicht zutreffe. So habe dies etwa in einem Fall auch das Amtsgericht Bayreuth festgestellt, als es einem Haftantrag der Ausländerbehörde nicht zugestimmt habe.

Nur in Ausnahmefällen: Abschiebung aus der Ausbildung

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) habe im Herbst 2016 gegenüber Arbeitgeberverbänden und den Kirchen gesagt, die Abschiebung aus der Ausbildung solle nur in extremen Ausnahmesituationen geschehen, so der Flüchtlingsrat. Doch weder dieser noch der Bayerische Elternverband könnten erkennen, warum hier eine Ausnahme vorliegen solle. Die ökumenische Initiative fordert daher die "verantwortungsvollen, humanitär und christlich denkenden Menschen" in Union und Sozialdemokratie auf, einen "Abschiebewahn" zu stoppen.

Der Flüchtlingsrat wehrt sich außerdem gegen den Vorwurf, Afghanen vor Abschiebungen beim Untertauchen zu helfen. Zwar gebe man Abschiebungstermine und "Warnhinweise" auf der Website bekannt, rufe darin aber "mitnichten zum Untertauchen auf", zitiert die "Welt" (Mittwoch) Stephan Dünnwald vom Flüchtlingsrat Bayern. Man empfehle "potenziell Betroffenen lediglich, sich in den Nächten vor der Abschiebung möglichst nicht in der Unterkunft aufzuhalten". Das sei "völlig legitim". An diesem Mittwoch sollen erneut ausreisepflichtige Afghanen nach Kabul abgeschoben werden.

Innenministerium: Flüchtlingsrat am Rande der Strafbarkeit

Hintergrund für die Stellungnahme des Flüchtlingsrates sind Vorwürfe des bayerischen Innenministeriums. Dass viele der für Abschiebungen vorgesehene Afghanen untertauchten, liege auch an dem "breiten Beratungsangebot" durch Aktivisten, hieß es dort am vergangenen Wochenende. Der Flüchtlingsrat versuche, Abschiebungen aktiv zu verhindern und bewege sich damit "an der Grenze der Strafbarkeit".

Der Flüchtlingsrat halte "Proteste und auch Aktivitäten des zivilen Ungehorsams" gegen Abschiebungen nach Afghanistan für legitim, betonte Dünnwald. Man teile die offizielle Darstellung der Bundesregierung und die Auffassung mancher Gerichte nicht, "dass Afghanistan in Teilen sicher sei und man sich in Kabul schon durchschlagen könne". Die 16 Flüchtlingsräte in Deutschland vertreten die Migranten- und Flüchtlingsorganisationen ihrer jeweiligen Bundesländer.

"Gefahr für Leib und Leben"

Auch der Caritasverband im Bistum Limburg wendet sich gegen eine geplante Sammelabschiebung. Dies sei unverantwortlich, erklärte Diözesancaritasdirektor Hejo Manderscheid in Limburg. Den Abgeschobenen drohe Gefahr für Leib und Leben. Die Rückführungen seien auch bei Straftätern, Gefährdern oder sogenannten Identitätstäuschern nicht angebracht.

Etwa 20 Männer sollen abgeschoben werden

Bund und Länder wollen an diesem Mittwoch um die 20 abgelehnte Asylbewerber nach Kabul abschieben. Bayern allein habe neun Menschen auf die Flugliste gesetzt, sagte der Chef des Bayerischen Flüchtlingsrates, Stephan Dünnwald, der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag. Sieben säßen schon in Abschiebehaft.

Vier abgelehnte Asylbewerber aus Hamburg und vier aus Baden-Württemberg sollen bis Dienstagmittag ebenfalls für den Flug gemeldet worden sein sowie ein Straftäter aus Rheinland-Pfalz und möglicherweise einer aus Nordrhein-Westfalen. Ein Straftäter aus Sachsen soll ebenfalls mitfliegen, wie die dpa erfuhr. Ob die Liste damit vollständig ist, blieb zunächst unklar.


Quelle:
KNA , dpa