Hilfsorganisationen fordern Abschiebestopp nach Afghanistan

"Könnte zum Himmelfahrtskommando werden"

Die geplanten Sammelabschiebungen vom Flughafen Düsseldorf nach Afghanistan, Albanien und Serbien sind in Nordrhein-Westfalen auf scharfe Kritik gestoßen. Hilfsorganisationen wie die Caritas schlagen Alarm und fordern einen sofortigen Stopp.

Kritik an geplanten Abschiebungen nach Afghanistan / © Boris Roessler (dpa)
Kritik an geplanten Abschiebungen nach Afghanistan / © Boris Roessler ( dpa )

Der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Dr. Frank Joh. Hensel verurteilt die aktuellen deutschen Abschiebepläne nach Afghanistan scharf: "Die derzeitige Sicherheitslage macht weiter berechtigte Angst, dass die Abschiebungen zu einem Himmelfahrtskommando werden können. Deshalb halten wir an der Forderung eines Abschiebestopps nach Afghanistan fest."

Abschiebeflüge geplant

Hensel verweist auf die für heute vorgesehene Wiederaufnahme der Abschiebeflüge in die afghanische Hauptstadt Kabul. "Unser Grundgesetz garantiert aus guten Gründen Schutz für Geflohene vor Gewalt und Krieg, das gilt es zu achten", so Hensel mit Blick auf den Caritas-Sonntag (17. September) unter dem Motto "Zusammen sind wir Heimat".

Trotz übereinstimmender Informationen von Flüchtlings-Initiativen beharrt Deutschland bei anhaltend unsicherer Sicherheitslage in Afghanistan weiter auf seinen Abschiebeplänen. Die Caritas fordert die politisch Verantwortlichen auf, davon Abstand zu nehmen. Die Taliban kontrollieren große Teile des Landes, bürgerkriegsähnliche Zustände sind keine Seltenheit. "Die Abschiebungen nach Afghanistan bedeuten für die Betroffenen ein Zurück in Angst und Gefahr", sagt Hensel.

Unterstützung aus dem Erzbistum Köln

Nach dem Sprengstoffanschlag nahe der deutschen Botschaft in Kabul Ende Mai schränkte die Bundesregierung die Abschiebung afghanischer Flüchtlinge weitgehend ein. Erstmals sollen nun wieder Sammelabschiebungen stattfinden – möglicherweise schon an diesem Dienstag vom Flughafen Düsseldorf aus, wie Flüchtlingsinitiativen mitteilten. Offenbar sind mindestens zwölf Afghanen betroffen.  

Unterstützung erfahren viele der Flüchtlinge im Rahmen der Aktion Neue Nachbarn in den katholischen Gemeinden im Erzbistum Köln. Diese sammeln am bevorstehenden Caritas-Sonntag – getreu dem Motto der Caritas-Kampagne 2017 "Zusammen sind wir Heimat" – Geld für bedürftige Familien und Kinder. Mit der Kollekte im Rahmen des Caritas-Sonntags unterstützen die Spender die vielfältigen Hilfsangebote und Dienste sowohl der verbandlichen Caritas als auch der Pfarr-Caritas im Erzbistum Köln.

Pro Asyl: Lage in Afghanistan unkalkulierbar

Auch die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl fordert, alle geplanten Abschiebungen nach Afghanistan umgehend zu stoppen, und warnt vor einem "Überbietungswettbewerb der Härte gegen Flüchtlinge in Worten und Taten". Auch die für den heutigen Dienstag geplante Abschiebung sei "wahltaktisch motiviert, um im rechten Milieu auf Stimmenfang zu gehen", sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt am Dienstag in Frankfurt.

Die Situation in Afghanistan eskaliere und sei unkalkulierbar, betonte er weiter: "Sie kann sich nach Trumps Ankündigung, den Militäreinsatz auszuweiten, noch weiter verschärfen."

Lebensgefährdende Umstände

Pro Asyl hält Abschiebungen nach Afghanistan für unverantwortlich und fordert Bund und Länder auf, die Lage vor Ort genauer zur Kenntnis zu nehmen, so Burkhardt: "Niemand weiß, wie es morgen oder in einer Woche oder in einem Monat in Afghanistan aussieht." Selbst das Auswärtige Amt müsse zugeben, dass Überlandstraßen von Taliban häufig blockiert würden und dass die Taliban in mehr Provinzen die Kontrolle hätten oder Einfluss ausübten als noch im letzten Jahr: "Abschiebungen in lebensgefährdende Umstände sind mit diesem Bericht auf keinen Fall zu rechtfertigen".

Zudem hätten Bund und Länder herausgestellt, dass sie Straftäter und Gefährder abschieben, ergänzte Burkhardt: "Das wissen auch die afghanischen Behörden. Es besteht die Gefahr, dass die Abgeschobenen inhaftiert und unmenschlich behandelt werden." In jedem Einzelfall müsse diese besondere Gefährdung durch Behörden und Gerichte in Deutschland geprüft werden.

Vorwürfe an deutsche Politik

Der Flüchtlingsrat NRW hält ebenso besonders die Abschiebung nach Afghanistan wegen der desolaten Sicherheitslage in dem Land für "unverantwortlich", wie der Rat am Dienstag in Düsseldorf mitteilte. Das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe befürchtet, dass für die Abgeschobenen die Gefahr bestehe, nach ihrer Landung inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Die Menschen seien "angekündigt, fallen auf und sind ohne soziale Bezüge schutzlos", erklärte Diakonie-Vorstand Christian Heine-Göttelmann.

Die NRW-Linken forderten, die geplanten Abschiebungen zu stoppen. Es sei zynisch, wenn die Bundesregierung den Auslandseinsatz der Bundeswehr mit der unsicheren Lage vor Ort begründet und gleichzeitig Menschen ins Krisengebiet abgeschoben werden sollen.

Der Flüchtlingsrat NRW wirft der Düsseldorfer Landesregierung angesichts der Sammelabschiebungen vor, kurz vor der Bundestagswahl mit dem Thema "Abschiebungen" auf Stimmenfang zu gehen. Dass von Düsseldorf aus auch Abschiebungsflüge in den Kosovo am Dienstag und ein weiterer am Mittwoch nach Serbien starten soll, zeige, dass "die Landesregierung NRW noch einmal hartes Durchgreifen demonstrieren will".


Dr. Frank Johannes Hensel / © Caritas, Erzbistum Köln
Dr. Frank Johannes Hensel / © Caritas, Erzbistum Köln

Günter Burkhardt, Geschäftsführer Pro Asyl / © Christoph Schmidt (dpa)
Günter Burkhardt, Geschäftsführer Pro Asyl / © Christoph Schmidt ( dpa )
Mehr zum Thema