Missbrauchsprozess gegen Ex-Priester fortgesetzt

E-Mails von Gott

Der Prozess gegen einen katholischen Ex-Priester wegen Kindesmissbrauchs ist am Mittwoch mit der Verlesung der Anklage fortgesetzt worden. Die Richter lehnten den Antrag einer Nebenklage-Vertreterin auf Ausschluss der Öffentlichkeit ab.

Früherer Priester wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht / © Armin Weigel (dpa)
Früherer Priester wegen sexuellen Missbrauchs vor Gericht / © Armin Weigel ( dpa )

Dabei verwies der Vorsitzende des Deggendorfer Landgerichts auf das "jahrelange Bemühen um Aufarbeitung zahlreicher Missbrauchstaten", die auch von Geistlichen verübt worden seien. Die Staatsanwaltschaft hält den 53-jährigen gebürtigen Wuppertaler für seelisch schwer gestört und daher vermindert schuldfähig.

Zugleich geht sie von einer akuten Wiederholungsgefahr aus. Der Angeklagte und sein Verteidiger äußerten sich nicht. Eine Straubinger Psychiaterin ist als Sachverständige an der Verhandlung beteiligt. Diese wird am 9. Januar fortgesetzt.

Zahlreiche Anschuldigungen

Thomas Maria B. soll sich zwischen 1997 und 2016 an insgesamt fünf Jungen unter 14 Jahren 110 mal sexuell vergangen und dabei auch Gewalt eingesetzt haben. Die Staatsanwaltschaft wertet die Handlungen überwiegend als schweren Missbrauch. Dazu kommt eine versuchte Vergewaltigung einer 18-Jährigen 1995/1996 in Österreich. Außerdem wird B. beschuldigt, sich für seinen Lebensunterhalt bei mehreren Familien insgesamt 100.000 Euro erschlichen zu haben. Zwischenzeitlich saß er in Karlsruhe wegen Vergewaltigung und Missbrauch zweier Mädchen von 2003 bis 2009 im Gefängnis.

2008 entfernte ihn ein Kirchengericht in Freiburg aus dem Klerikerstand. Damit war ihm die Ausübung seines Berufes offiziell verboten. Das Urteil wurde 2012 durch ein zweites Kirchengericht in München endgültig bestätigt. Trotzdem gab sich der Mann laut Anklage weiterhin als Priester aus, kleidete sich entsprechend, fälschte seinen Dienstausweis und benutzte einen anderen Namen.

Der Anklage zufolge gewann der Mann das Vertrauen frommer Familien auf Wallfahrten, unter anderem nach Medjugorje in Bosnien-Herzegowina. Zum Teil wohnte er mehrere Jahre bei ihnen und verging sich in dieser Zeit an deren Kindern. Dabei benutzte er auch das Beichtgeheimnis, um seine Opfer daran zu hindern, ihren Eltern von den Übergriffen zu erzählen.

2015 tauchte er im Landkreis Deggendorf auf und zog der Anklage zufolge mehrere Monate im Pfarrhof einer katholischen Gemeinde ein.

E-Mails von Gott

Dabei habe er Messen und Exerzitien gehalten und Jugendgruppen begleitet. Dabei habe der falsche Pater das "uneingeschränkte Vertrauen" einer "strenggläubigen" Frau gewonnen. Diese beteiligte ihn infolgedessen auch an der Erziehung ihrer Kinder. Daraufhin habe er den damals neunjährigen Sohn erst gezüchtigt und später missbraucht.

Seinen Lebensunterhalt bestritt der Angeklagte unter anderem dadurch, dass er seinen Gönnern vermeintlich von Gott selbst stammende E-Mails zukommen ließ, in denen die Adressaten aufgefordert wurden, "für meinen Priestersohn und dessen Priestermutter" zu sorgen und Geld zu überweisen. Auf diese Weise erhielt er fünfstellige Beträge.


Quelle:
KNA