Mit der Verurteilung des früheren Vatikanbank-Chefs Angelo Caloia setzt die päpstliche Justiz einen Markstein: Erstmals überhaupt wurde im Vatikanstaat eine Spitzenfigur wegen Finanzdelikten schuldig gesprochen - und eine drastische Strafe für Caloia und seine beiden Mitangeklagten verhängt. Beispiellos ist auch, dass der Prozess durch interne Ermittlungen in Gang kam und nicht erst durch Druck von Medien. All das gibt dem dreijährigen Verfahren hohe Symbolkraft. Das letzte Wort ist indessen nicht gesprochen.
Noch am Donnerstag, unmittelbar nach dem Urteil durch Richter Giuseppe Pignatone, einen ehemaligen Mafia-Strafverfolger, kündigten die Anwälte Caloias sowie der Mitangeklagten Gabriele und Lamberto Liuzzo Berufung an. Caloia, von 1989 bis 2009 Präsident des gemeinhin als Vatikanbank bekannten "Instituts für die religiösen Werke" (IOR), bezeichnete sich laut Medienberichten während des Verfahrens als unschuldig und als Opfer einer Verschwörung.
Geldwäsche in der Schweiz
Es geht um die Veräußerung von 29 Immobilien der Vatikanbank und der von ihr kontrollierten "Societa' per gestioni di immobili Roma" (SGIR) in den Jahren 2002 bis 2007 - Liegenschaften vor allem in Rom, Mailand und Genua, ein Großteil des Gebäudebesitzes des IOR. Der Verkauf erfolgte unter Marktwert und über ein Konstrukt ausländischer Firmen; Caloia und sein Rechtsberater Gabriele Liuzzo bereicherten sich dabei nach Auffassung der Justiz um 59 Millionen Euro. Liuzzos Sohn Lamberto, Rechtsanwalt wie sein Vater, half demnach, einen Teil des Geldes über Schweizer Konten zu waschen.
Richter Pignatone sprach für Caloia und Gabriele Liuzzo eine Freiheitsstrafe von je acht Jahre und elf Monate aus - mehr als von der Anklage gefordert. Lamberto Liuzzo erhielt fünf Jahre und zwei Monate. Hinzu kommen Geldstrafen von je 12.500 Euro für Caloia und Vater Liuzzo sowie 8.000 Euro für den Sohn. Alle drei dürfen künftig keine öffentlichen Ämter mehr im Vatikan ausüben. Weiter verfügte das Gericht die Einziehung von bereits beschlagnahmten 38 Millionen Euro von Konten der Beschuldigten. Sie müssen zudem mehr als 20 Millionen Euro Schadenersatz an das IOR und die Immobiliengesellschaft SGIR zahlen.
Drogen-, Waffen- und Frauenhandel
Eine schwere Strafe für einen gewichtigen Mann: Caloias zwei Jahrzehnte lange Amtszeit reicht in die Ära hinab, als das IOR als Drehscheibe mafiöser Machenschaften und internationaler Geheimdienstoperationen galt. Sein Vorgänger war der skandalumwitterte Erzbischof Paul Marcinkus (1922-2006); dessen Geschäftspartner bewegten sich in der Welt des Drogen-, Waffen- und Frauenhandels.
Caloia sollte nach einer Institutsreform 1990 ein neues Kapitel schreiben. Aber mit der Transparenz ging es zäh voran. Es dauerte noch vier Jahre nach seinem Rücktritt, bis das Institut überhaupt einmal einen Jahresbericht veröffentlichte.
Womöglich will der Vatikan an Coloia ein Exempel statuieren. Im April liegt bei der europäischen Anti-Geldwäsche-Kommission Moneyval ein turnusmäßiger Prüfbericht über den Vatikan an. Bei früherer Gelegenheit hatte die Kommission in Straßburg bemängelt, trotz zahlreicher Verdachtsmeldungen habe die Vatikan-Justiz noch kein einziges Strafverfahren auf die Beine gestellt. Der Prozess könnte auch ein warnendes Vorspiel für die Beteiligten an einer aktuellen Affäre um einen Londoner Immobilienerwerb durch das Staatssekretariat sein; auch hier geht es um Korruption und Veruntreuung.
Mit fast neun Jahren Gefängnis für Angolo Caloia und Gabriele Liuzzo nimmt sich das Urteil drakonisch aus. Das bislang höchste im Vatikan zugeteilte Strafmaß waren fünf Jahre - wegen Kinderpornografie. Ob es je zum Haftantritt kommt, steht dahin. Die Entscheidung erging in erster Instanz, faktisch kaum mehr als ein Warnschuss.
Sofern die Beschuldigten nicht so leichtsinnig sind, sich im Vatikan festnehmen zu lassen, wird Italien sie nicht ausliefern, abgesehen davon, dass der päpstliche Staat nicht genug Haftzellen für das Trio hätte. Zuletzt spricht das Alter der Hauptangeklagten gegen einen strikten Strafvollzug: Caloia ist 81, Liuzzo 97. Bald wird sie ein anderer Richter erwarten.