Vor dem Konklave 2013 galt der damals 55-jährige Luis Antonio Tagle einigen gar als "papabile". Dabei war er seinerzeit zweitjüngster Papstwähler. Es kam anders. Tagle, den Benedikt XVI. ein Jahr zuvor ins Kardinalskollegium berufen hatte, blieb als Erzbischof in Manila. Nun kommt er doch nach Rom - und soll eine der ältesten und einflussreichsten Vatikanbehörden leiten, die "Propaganda Fide". So hat Franziskus entschieden und ließ dies am Sonntag bekanntgeben.
Der stets lächelnde und gut aufgelegt wirkende Tagle ist eindeutig einer von Franziskus' Männern. Nicht nur als Mitglied verschiedener Dikasterien trat er schon öfter in Rom auf. Der Philippiner folgte 2015 Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga als Präsident von "Caritas Internationalis", Dachverband von 165 nationalen Caritasverbänden. "Lasst uns zusammen eine Kirche der Armen stärken", sagte er damals. Ende Mai wurde Tagle für eine zweite Amtszeit bestätigt.
"Der rote Papst"
Daneben ist Tagle, dessen Vorfahren teils aus China stammen, beim Thema Migration aktiv. Wiederholt trat er bei der kirchlichen Aktion "Share the Journey" auf, mit der auf das Schicksal und den beschwerlichen Weg von Flüchtlingen und Migranten aufmerksam gemacht werden soll.
Auf seinem neuen Posten könnte Tagle die von Franziskus gewünschte Kurienreform entscheidend stützen - wenn es ihm gelingt, sich im Kurien-Dschungel durchzusetzen. Dafür gilt der freundliche Asiate manchen als zu lieb und harmlos. Dabei erhält er mit der Kongregation für die Evangelisierung der Völker eine der traditionsreichsten Kurienbehörden anvertraut, deren Leiter einst "der rote Papst" genannt wurde.
"Propaganda fide"
Von Papst Gregor XV. 1622 mit dem Ziel gegründet, dem Einflussverlust durch den Protestantismus entgegenzuwirken, wurde die "Propaganda", wie sie in Rom kurz genannt wird, zu einem der ersten zentralen Verwaltungsinstrumente des Papstes. Während dieser sich bei Personalentscheidungen in Europa mit Fürsten, Königen und Kaisern herumschlagen musste oder auf protestantische Mauern stieß, konnte er in der übrigen Weltkirche walten, wie er wollte.
Im Zuge europäischer Eroberungen in Lateinamerika, Afrika und Asien gab es für katholische Missionare viel zu tun. Koordiniert wurden sie von der "Propaganda fide". Noch heute ist die Kongregation für viele hundert Diözesen in fast ganz Afrika, den meisten Ländern Asiens sowie einige Gebiete Amerikas zuständig.
Der richtige Mann
Daneben obliegen ihr - und das macht sie für Franziskus so wichtig - die Themen Mission und Evangelisierung, mithin Leitmotive seiner Kurienreform. Einem Entwurf der neuen Kurienverfassung zufolge soll die "Propaganda" mit dem für den säkularisierten Westen zuständigen "Rat für Neuevangelisierung" zusammengelegt werden. Der Entwurf nannte die neue Behörde an erster Stelle - vor der Glaubenskongregation. Beobachter sahen darin einen Paradigmenwechsel.
Für einen solchen aber braucht es nach Ansicht von Franziskus weniger eine Reform der Strukturen als der Herzen und Köpfe. In diesem Sinne wäre Tagle der richtige Mann - wenn er sich eben durchsetzen kann. Inwieweit die alteingesessenen Mitarbeiter nahe der Spanischen Treppe ihren neuen Chef in behördeneigene Töpfe und Immobilien-Pfründe einweihen, muss sich zeigen. Auch die "Propaganda" war bereits in Skandale verwickelt.
Einer ihrer früheren Leiter, Kardinal Crescenzio Sepe von Neapel, war 2010 wegen Korruptionsverdacht ins Visier der italienischen Staatsanwaltschaft geraten. Er sollte als Präfekt Immobilien weit unter Wert veräußert und dafür unberechtigt staatlich finanzierte Baumaßnahmen in Anspruch genommen haben.
"Na, Heiliger Sohn?"
Den bisherigen Präfekten der Evangelisierungsbehörde, Kardinal Fernando Filoni, versetzte Franziskus in eine Art Vorruhestand. Der 73-jährige Italiener wird Großmeister des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Der 80. Geburtstag des bisherigen Großmeisters, US-Kardinal Edwin Frederick O'Brien, im April bot dazu Gelegenheit.
Kardinal Tagle indes hat sich auch mit über 60 etwas Jugendliches bewahrt. Man mag daher an eine Anekdote vom März 2013 denken, die wie folgt überliefert ist: Im Aufzug des vatikanischen Gästehauses Santa Marta trifft Tagle im Schlabberpulli ganz unverhofft den neugewählten Papst. Sagt Tagle: "Heiliger Vater". Antwortet Franziskus: "Na, Heiliger Sohn?"