DOMRADIO.DE: Wie würden Sie die Lage in Mailand aktuell beschreiben?
Walter Brand (Vorsitzender des Gemeinderates der deutschsprachigen katholischen Gemeinde Mailand): Angespannt, sagen wir es so. Es ist teilweise gespenstisch. Ich bin gestern Abend mit dem Fahrrad nach Hause gefahren und es waren kaum Leute auf der Straße. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind leer, die Lokale, Bars, Pubs, Diskotheken müssen ab sechs Uhr abends geschlossen sein. Nur die Restaurants sind offen, aber leer.
Die Mailänder halten sich an die Regeln. Man hat gebeten, möglichst von zu Hause zu arbeiten, wenig unterwegs zu sein, denn man will vermeiden, dass sich diese Menschenmassen bewegen und die Ansteckungsgefahr dadurch größer wird.
DOMRADIO.DE: Was meinen Sie, sind diese Vorsichtsmaßnahmen berechtigt?
Brand: Ich denke schon. Ich rede viel mit Kollegen, zum Beispiel mit dem Vorsitzenden des Vorstandes der Deutschen Schule Mailand. Wir sind alle der Meinung, dass es mehr als notwendig ist, diesen Virus mit, ich sage mal, Brachialgewalt einzudämmen. Wir haben das Glück, dass die Fälle in Mailand nicht exponentiell angestiegen sind. Es scheint, dass die Maßnahmen Wirkung zeigen. Wahrscheinlich werden sie nächste Woche verlängert. Davon gehen wir aus.
DOMRADIO.DE: Wie wirkt sich diese Situation gerade auf die Gemeinde und auf die Kirchen insgesamt aus?
Brand: Die Kirchen sind für Gottesdienste geschlossen - das ist jetzt das erste Mal seit Jahrhunderten. Seit der Abendmesse vom Sonntag gibt es keine weitere Messen mehr. Der Mailänder Dom ist geschlossen, ein Seiteneingang ist zum Beten geöffnet. Auch andere Kirchen sind zum Gebet offen, aber alles, was mit Versammlungen zu tun hat, ist untersagt. Und daran hat sich unser Erzbischof Delpini gehalten und mit einem Erlass alle Messen bis auf weiteres ausgesetzt.
Das Interview führte Carsten Döpp.