Theologe kritisiert Österreichs Kirche in Corona-Lockdown

Verlängerter Arm der Politik?

​Die katholische Kirche in Österreich agiert nach Ansicht des Theologen Jan-Heiner Tück in der Corona-Krise zu verzagt. Angesichts der Einschränkungen für das Glaubensleben befürchtet er einen zunehmenden Säkularisierungsprozess.

Geschlossene Kirchentür / © Marko Rupena (shutterstock)
Geschlossene Kirchentür / © Marko Rupena ( shutterstock )

In einem am Mittwoch veröffentlichten Gastbeitrag für das Portal katholisch.de übt Tück Kritik an der Entscheidung der österreichischen Bischöfe, im zweiten Lockdown des Landes bis zum 6. Dezember alle Gottesdienste auszusetzen. Im Maßnahmen-Katalog der österreichischen Regierung sei den Glaubensgemeinschaften ausdrücklich eingeräumt worden, die "religiösen Grundbedürfnisse" der Gläubigen auf ihre Weise zu regeln.

Kritik an der Position der Kirche

"Statt kreativ über Maßnahmen nachzudenken, wie man mit entsprechend nachgebesserten Auflagen öffentliche Gottesdienste auch in Zeiten der Pandemie aufrechterhalten kann, um Orte des Trostes, der geistlichen Stärkung und der Besinnung zu schaffen, wurden die staatlichen Direktiven des Lockdown ohne Vorbehalte übernommen", schreibt der Wiener Theologe. "Der Preis für diese kooperative und staatstragende Haltung ist, dass die Heilsanstalt Kirche so zum verlängerten Arm staatlicher Gesundheitspolitik zu werden droht."

Bislang sei keine wissenschaftliche Expertise bekannt geworden, nach der die bisherigen Einschränkungen in der Liturgie nicht ausgereicht hätten, den erforderlichen Gesundheitsschutz zu gewährleisten, so der Theologe. "'Salus animarum suprema lex - das Heil der Seelen ist das oberste Gesetz', heißt das Grundprinzip im katholischen Kirchenrecht. Man könnte fast meinen, die katholischen Bischöfe hätten es angesichts der Pandemie umgeschrieben: 'Salus corporum suprema lex - die körperliche Gesundheit ist das oberste Gesetz'."

Solidarität mit der Gesellschaft

Das Argument, angesichts steigender Corona-Zahlen Solidarität mit der Gesellschaft zu zeigen, nannte Tück nachvollziehbar. "Man kann das Solidaritätsargument aber auch umdrehen und fragen, ob der Entschluss der Bischöfe nicht gerade mangelnde Solidarität mit jenen Gläubigen erkennen lässt, die trotz massiver Einschränkungen in den vergangenen Monaten kirchliche Gottesdienste weiterhin und regelmäßig besucht haben, einfach deshalb, weil für sie die Eucharistie das Grundnahrungsmittel ihrer Existenz ist."

Der Kurs der Bischöfe werde den bereits vorhandenen Säklularisierungsschub massiv befördern, prophezeit Tück. "Schon jetzt wird man illusionslos sagen können: Viele Gläubige werden sich abwenden, Ministranten nicht wiederkommen, Kirchenchöre dauerhaft verstummen."


Jan-Heiner Tück, Professor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien / © Dieter Mayr (KNA)
Jan-Heiner Tück, Professor für Dogmatische Theologie an der Universität Wien / © Dieter Mayr ( KNA )
Quelle:
KNA