Es ist schön, Menschen zu begegnen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Jeden Tag treffe ich viele, ganz unterschiedliche von ihnen. Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und natürlich in den Gottesdiensten sowie bei anderen Veranstaltungen, die ich besuche.
Als vor fünf Jahren auf einmal wegen der Corona-Pandemie das ganze soziale Leben zum Erliegen kam, war das für mich wie ein Schock. Ich weiß noch, wie damals Schlag auf Schlag von heute auf morgen viele Veranstaltungen gestrichen wurden, wie Geschäfte schlossen und wir fast alle im Homeoffice waren. Die Straßen leer, unsere Kirchen auch. Selbst die Feier der Heiligen Messe, die noch nicht mal während der Kriegstage ausgefallen war, musste auf Weisung der Behörden gestrichen werden. Was waren das für Zeiten!
Damals - und selbst heute noch – schreiben mir immer wieder Menschen und fragen mich, ob das alles wirklich so hätte sein müssen? Eine wichtige Frage, wie ich finde. Eine Frage, um die es bis heute Diskussionen und Debatten gibt. Aber wer konnte das damals schon alles erahnen und richtig einschätzen? Natürlich ist in dieser Zeit vieles falsch gemacht worden. Viele Menschen in unseren Senioreneinrichtungen waren über Monate isoliert. Beerdigungen konnten nur im kleinsten Kreis stattfinden. Hochzeiten mussten abgesagt werden. Schülerinnen und Schüler fielen in der Schule zurück. Freundschaften zerbrachen – nicht zuletzt angesichts der Diskussionen über die Sinnhaftigkeit des Impfens.
Natürlich erinnere ich mich aber auch noch an die große Kreativität und Solidarität dieser Tage. Wie wir z.B. unser Priesterseminar für Obdachlose geöffnet haben, damit die was Warmes zu essen hatten und duschen konnten. Wie damals - quasi wie aus dem Nichts - viele kirchliche Onlineangebote erwuchsen. Wie ich jeden Sonntag in unserem Dom digital die Heilige Messe mit vielen, vielen Gläubigen gefeiert habe. Das hat auf eine bestimmte Weise auch zu einem Gemeinschaftsgefühl geführt. Wir saßen ja alle im gleichen Boot.
Diese Solidarität und Kreativität der Menschen damals - die nehme ich aus dieser Zeit für mich besonders mit. Nichtsdestoweniger bin ich jedoch dankbar und froh, Ihnen allen heute wieder von Angesicht zu Angesicht begegnen zu können. Begegnen wir in unserem Nächsten doch immerhin dem Herrn.
Ihr
Rainer Woelki
Erzbischof von Köln