Einer geht noch - einer tritt noch aus... Die neue Rekordstatistik der Kirchenaustritte dokumentiert: Es gehen inzwischen Hunderttausende. Jedes Jahr und jedes Jahr werden es mehr.
Doch ich gehe nicht, ich bleibe: Ich bleibe, weil ich weiß, dass meine Kirche keine kriminelle Vereinigung ist. Ja - es gab viel zu viele Straftäter, die ihre Macht missbraucht haben und es gibt vermutlich auch heute noch Täter. Und es gibt bis in die Spitze Kirchenmänner, die vertuscht haben und diese Täter gedeckt haben. Aber Kirche ist viel mehr als Priester und Bischöfe, die versagen. Es gab und es gibt viele Menschen, viel mehr Menschen, die jeden Tag in meiner Kirche Gutes tun. Die aufrecht und ehrlich unterwegs sind und sich immer wieder neu darum bemühen.
Ich bleibe, auch wenn ich weiß, dass es in der Geschichte meiner Kirche viele dunkle Kapitel gab und vielleicht auch heute noch gibt. Mir machen all meine Schwestern und Brüder Mut, die sich für Klarheit und Wahrheit in der Kirche einsetzen. Die all die Dunkelheiten hell machen. Ich bleibe auch deshalb, weil ich mich in meiner Kirche dafür stark mache, dass Frauen die gleichen Rechte bekommen. Dafür, dass niemand wegen seiner sexuellen Orientierung ausgeschlossen oder benachteiligt wird. Dafür dass Drohbotschaften endlich ein Ende haben. Ich bleibe auch, weil ich in meiner Kirche dafür sorge, dass Geld nicht in Gutsherrenmanier ausgegeben wird oder in dubiosen Kanälen verschwindet. Sondern dass all das Geld, was da ist, für die gute Sache eingesetzt wird. Zur Ehrlichkeit gehört auch, dass ich sage: Ja, ich bleibe, weil ich von der Kirchensteuer gut bezahlt werde. Aber nicht dafür, dass ich schweige, wo man reden sollte. Und dafür, dass die Frohe Botschaft auch an den Hecken und Zäunen dieser Welt verkündet wird.
Einer geht noch - ich aber nicht. Ich bleibe trotz allem, weil Kirche für mich das Volk Gottes ist, dass gemeinsam auf dem Weg ist. Da braucht es jede und jeden. Jesus hat schon vor 2000 Jahren seine Zwölf gefragt: „Wollt auch Ihr gehen?“ Die Antwort von Petrus war damals so eindeutig wie heute: "Wohin Herr sollen wir gehen? - Nur Du hast Worte ewigen Lebens!"
Ingo Brüggenjürgen
Chefredakteur DOMRADIO.DE