"Vor kurzem habe ich einen Jugendlichen wiedergesehen, den ich vor einiger Zeit gefirmt hatte. Vor der Firmung hatte er sich zusammen mit anderen Jugendlichen auf den Empfang des Sakramentes vorbereitet. Mal in der großen Gruppe mit allen Firmbewerbern, mal in kleinen mit sechs, acht, zehn anderen. Sie haben dort über den Glauben gesprochen, sich sogar sozial- caritativ in verschiedenen Projekten engagiert. Sie haben zusammen gebetet und auch ein wenig Freizeit miteinander verbracht. Heute – nach der Firmung – treffen sich immer noch einige von ihnen.
Mir fiel Papst Johannes Paul II. ein. Als der junger Priester war, lehrte er als Professor die Menschen nicht nur vom Ambo aus oder in Hör- oder Vortragssälen. Er verbrachte auch möglichst viel Zeit mit jungen Menschen und begleitete sie in ihrem alltäglichen Leben: beim gemeinsamen Essen, beim Singen, beim Aufführen von Theaterstücken, beim Wandern, Campen und Kajakfahren. Die gemeinsamen Erlebnisse machten einen tieferen und nachhaltigeren Eindruck als seine Predigten, Vorträge und Bücher allein es je geschafft hätten. Mit vielen von ihnen war er bis zum Ende seines Lebens eng befreundet.
Das Sprechen über das Wort Gottes und das miteinander Teilen ist wirklich wichtig. Mindestens ebenso wichtig ist aber auch die Zeit, die man außerhalb des Schriftkreises, der Katechese oder der Firmstunde zusammen verbringt. Denn da kann man etwa Jugendliche oder andere interessierte Menschen richtig kennenlernen und so viel mehr zur Evangelisierung beitragen als durch einen Glaubenskurs allein.
Es geht darum, Interesse an ihrem Leben zu zeigen, ihnen zuzuhören und das eigene Leben mit ihnen zu teilen. Auf so einem Wege lässt sich Christus nämlich konkret erfahren, so dass er mit der Zeit Wurzeln im Leben eines Menschen schlagen kann. Und das wird dessen Leben im letzten guttun.
Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln"