Wochenimpuls: Impuls der Woche von Kardinal Woelki

Zeit mit Gott

Neulich am Rhein. Ein Ehepaar kommt mir entgegen. Ungefähr mein Alter. Beide tragen die gleiche Jacke. Man spürt sofort: Die gehören zusammen. Landläufig heißt es sogar: Paare werden sich im Laufe der gemeinsamen Jahre immer ähnlicher. Und irgendwie stimmt das dann ja auch: Je mehr Zeit Paare miteinander verbringen, umso ähnlicher werden sie sich. Nicht nur äußerlich - auch charakterlich. Und wenn man sich liebt: Dann erst recht. Studien, die sich mit dieser Thematik beschäftigen, können das sogar wissenschaftlich belegen. Ich hab mir gedacht: Wenn das schon so zwischen uns Menschen ist, um wieviel mehr dann auch zwischen Gott und Mensch, zwischen Gott und mir! Denn: Menschen, die sich Zeit für Gott, für das Gespräch mit ihm nehmen, die beten, werden ihm mit der Zeit tatsächlich immer ähnlicher. Vergöttlichung nennen das die Kirchenväter. Die Hl. Schrift spricht in diesem Zusammenhang von den Früchten des Hl. Geistes, die uns durch das Gebet geschenkt werden und die uns prägen wollen. Die sind: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung. Ich bin mir sicher: Wir werden wirklich ganz andere, gewissermaßen neue Menschen, wenn wir regelmäßig beten, dabei das Evangelium betrachten und es „durchbeten“, uns von ihm prägen lassen, um so Ihm in unserem Denken, Wollen, Sprechen und Handeln immer ähnlicher, Christus-ähnlicher zu werden. Denn nach der Hl. Schrift ist das ja das Ziel unseres Lebens als Christen: Christus als neues Gewand anzulegen, um ein „alter Christus“ - wie das der Lateiner sagt -, ein „neuer Christus“ zu werden. Das wäre es doch! Ich bin im Glauben fest davon überzeugt: Unsere Welt würde dadurch auf jeden Fall ein Stück menschlicher oder besser sogar noch: Gott-menschlicher. Denn dann ginge es unter uns liebevoller, friedlicher, gütiger, barmherziger, langmütiger oder auch sanftmütiger zu und wir könnten endlich wieder einmal freier aufatmen. Vielleicht probieren Sie es ja einfach mal aus. Die vor uns liegenden Ferientage bieten dafür jedenfalls ausreichend Gelegenheit.

Ihr

Rainer Woelki

Erzbischof von Köln

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