Wochenimpuls

Impuls der Woche von Kardinal Woelki - Selig, wer...

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Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal so richtig selig, also glückselig, meine ich? Am Tag Ihrer Hochzeit, bei der Geburt Ihres Kindes, nach bestandener Abschlussprüfung, nach überstandener Krankheit, nach dem letzten Heimsieg in der Liga? Wer von uns möchte das nicht schon mal von Zeit zu Zeit sein - selig, glückselig? Gibt`s ein Rezept dafür? Nichts leichter als das, sagt die Werbung. Die Tiefkühlpizza im passenden Ambiente zu zweit genießen. Im Traumauto über menschenleere Straßen dahingleiten. Die teuren Markenklamotten vor den bewundernden Augen der anderen spazieren führen - all das macht selig. Sofort. Hier und jetzt - versprechen jedenfalls findige Werbefachleute. Dass das nicht funktioniert, wissen wir alle, auch wenn wir uns das manchmal anders ersehnen. Glück, das kann man eben nicht kaufen. Man wird nicht wirklich selig durch Genuss. 

Wie Jesus das sieht, sagt er uns im Evangelium des heutigen Sonntags: "Selig, ihr Armen", sagt er da. "Denn euch gehört das Reich Gottes". Wie bitte? Geht`s noch? Heißt das etwa, dass nur Arme, also nur Menschen ohne Geld, ohne Arbeit, ohne ausreichend Nahrung in das Reich Gottes kommen? Muss ich meine gesicherte Existenz, mein wohl eingerichtetes Leben, meine Ersparnisse und alle sonstigen Annehmlichkeiten aufgeben, um glücklich zu sein? Das kann doch wohl nicht sein! Offensichtlich geht es Jesus auch gar nicht um materielle Armut. Ihm geht es darum, wie jemand vor Gott steht. Ihm geht es um eine Haltung. 

Denn mal im Ernst: Wir Christen trauen uns doch nicht wirklich zu, Leid abzuschaffen oder allein Frieden zu schaffen. Wir fühlen uns doch außerstande, diese Welt so zu verwandeln, dass alle Menschen auf ihr friedlich und in sozialer Gerechtigkeit zusammenleben. Arm sein vor Gott, das ist deshalb ein Bekenntnis, dass wir Gott brauchen, um mit uns selbst und der Welt fertig zu werden. Wir brauchen ihn nicht als Lückenbüßer, der dann einspringt, wenn wir versagen. Wir brauchen ihn von vornherein, um uns selbst zu durchschauen, um unsere Grenzen zu sehen, die uns als Menschen gesteckt sind. So stiften Menschen weiterhin Unfrieden, hassen und verleugnen, verfolgen und beschimpfen einander weiter. 

Und wer davon getroffen wird, der weiß, wie weh das tut. Für den aber, der "arm geworden ist vor Gott", der alles von Gott her zu sehen gelernt hat, für den hat sich etwas geändert. Der wird trauern müssen, wie jeder andere. Aber er weiß, dass diese schmerzvolle Trauer nicht mehr das letzte Wort hat. Wer alles von Gott her sehen gelernt hat, wird vom bösen Wort ebenso getroffen werden wie jeder andere. Er wird von sich aus genauso versucht sein, es zurückzugeben. Er kann es aber aus dem Wissen um Christus auffangen und dann dem Unfrieden mit Frieden begegnen. Warum? Weil er es sich schon jetzt leisten kann, nicht zurückzuschlagen, ja, sogar die Hand auszustrecken. 

Solche Menschen preist Jesus selig. Denn sie sind die Armen, die schon jetzt aus der Kraft des Reiches Gottes leben. Das macht sie gelassen. Das macht sie geduldig und stark. Und sie verändern so schon jetzt unsere Welt zum Besseren hin. Was könnte es hier also noch geben, was uns angesichts dessen seliger, glückseliger machen könnte?  

Ihr 

Rainer Woelki

Erzbischof von Köln

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