Wochenimpuls

Impuls der Woche von Kardinal Woelki - Weltgebetstag gegen Menschenhandel

Am 8. Februar eines jeden Jahres begeht die katholische Kirche den "Internationalen Tag des Gebets und der Reflexion gegen Menschenhandel". Mit diesem Tag will die Kirche alle Menschen für Menschenhandel im 21. Jahrhundert sensibilisieren. Dabei ruft sie auf zum aktiven Kampf gegen jegliche Form moderner Sklaverei. Denn Millionen von Menschen sind Opfer von organisiertem Menschenhandel, nicht nur in den Ländern Afrikas oder Asiens, sondern auch in Europa, ja sogar hier bei uns in Deutschland. 

Im vergangenen Jahr wurden jeden Tag in Deutschland drei Fälle von Menschenhandel festgestellt. Tagtäglich findet er bei uns statt, nicht nur in der Prostitution, sondern auch in der Pflege, im Haushalt, in der Landwirtschaft, der fleischverarbeitenden Industrie oder im Baugewerbe. Bei aller Unterschiedlichkeit der Branchen gilt: Sie sind personalintensiv und setzen weder spezielle Qualifikationen noch Sprachkenntnisse voraus. In aller Regel arbeiten die Menschen hier länger als die gesetzlich zulässige Arbeitszeit. Sie erhalten oft keinen oder kaum Lohn, haben schlechte Unterkünfte, erfahren körperliche oder psychische Gewalt und werden genötigt, in diesen Verhältnissen zu bleiben. 

Ausbeutung durch Bettelei, das Begehen von Straftaten oder die Entnahme von Organen kommen ebenso vor wie Zwangsheirat, illegale Adoption und Leihmutterschaft. Betroffen sind Deutsche genauso wie Migranten. Viele Betroffene bleiben im Verborgenen, weil sie sich schämen, bedroht werden oder Angst vor Repressalien haben. Zwei Drittel der Betroffenen sind weiblich, mehr als ein Viertel der Opfer minderjährig. Bei sexueller Ausbeutung sind mehr als 90 Prozent der Betroffenen Frauen, im Bereich der Arbeitsausbeutung mehr als die Hälfte Männer. 

Was es deshalb dringend braucht, ist ein langfristig finanziertes und flächendeckendes Beratungsangebot für Opfer von Menschenhandel. Sie benötigen Schutz und Rechte, Aufenthaltsrechte etwa und einen Zugang zu Sozialleistungen ohne Hürden sowie flächendeckend Schutzunterkünfte. Menschenhandel ist also nicht ein Verbrechen irgendwo weit von uns entfernt, sondern es ereignet sich oftmals quasi vor unserer Haustür. Halten wir also unsere Augen und Herzen offen, selbst wenn wir Betroffenen nur dazu verhelfen, Kontakt zu unserer Caritas aufzunehmen. Es wäre immerhin ein Anfang.

Ihr

Rainer Woelki
Erzbischof von Köln

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