Der australische Kardinal Pell bleibt hinter Gittern. Die Fakten: Zwölf Geschworene hatten den ehemaligen Finanzchef des Vatikans wegen sexuellen Missbrauchs an zwei Chorknaben für schuldig befunden. Das bedeutete für ihn sechs Jahre Haft. Die Berufung des Kardinals hat das Gericht jetzt abgelehnt. Mit einer richterlichen Mehrheit. Der Vatikan respektiert das Urteil – erinnert aber daran, dass Pell nach wie vor seine Unschuld beteuert. Pell kann innerhalb von 28 Tagen beim Obersten Gerichtshof erneut Berufung einlegen. Soweit die Fakten – doch wie sind diese zu bewerten?
Das Urteil spaltet nicht nur die Öffentlichkeit in Australien. Klar – im konkreten Fall steht Aussage gegen Aussage. Die Aussage eines Opfers gegen einen der höchsten Würdenträger der Katholischen Kirche. Die Wahrheit kann im konkreten Fall weder eine Jury noch eine richterliche Mehrheit zweifelsfrei feststellen. Aber es ist ein gutes Signal, dass unabhängige Gerichte frei entscheiden. Dass die Stimme der Opfer ebenso Gewicht hat wie die hoher kirchlicher Würdenträger. Es wäre auch ein gutes Signal, wenn Kardinal Pell sein Kardinalsamt spätestens jetzt endlich niederlegen würde, wie schon Kardinal McCarrick. Der hat in den USA, als sein mehrfacher sexueller Missbrauch nicht mehr zu leugnen war, seinen Rücktritt aus dem Kardinalskollegium erklärt.
Kardinäle tragen Rot. Die Farbe Purpur zeigt die höchste Würde an. Aber das leuchtende Rot zeigt auch, dass Kardinäle wie die Märtyrer ihren Glauben bezeugen sollen. Im Moment bezeugt und beteuert Pell nur noch seine eigene Unschuld. Es ist sein gutes Recht, beim obersten australischen Gericht erneut in Berufung zu gehen. Pell selber aber sollte jetzt endlich sagen, dass er seine Kardinalswürde ablegt, um noch größeren Schaden für die Katholische Kirche abzuwenden. Er verliert damit nicht seine Würde - sondern er würde seinen Glauben bezeugen. Der basiert darauf, dass am Ende der Tage jeder einzig und alleine vor Gott als dem letzten Richter treten muss. Da hilft dann kein kirchlicher Ehrentitel - sondern nur die Wahrheit.
Ihr Ingo Brüggenjürgen
DOMRADIO.DE-Chefredakteur