Zum 200. Bistumsjubiläum sprach Bischof Karl-Heinz Wiesemann über Freiheit, Propheten und der Chance des Neuen. "Echte Propheten sind selten", begann der Bischof seine Predigt. Die meisten, die sich für prophetisch halten, würden nur die Linie der bereits bestehenden Stimmungen verlängern, betonte Bischof Wiesemann. "Echte Propheten wittern dagegen im Alten schon das Neue."
Dem Menschen werde ein großer Vorteil zuteil: Er sei das einzige Wesen, das umkehren könne. Der Horizont nicht "festgelegter Freiheit", die ihm von Gott gegeben wurde.
"Umkehr und Neugeburt gehören zum Wesen des Christentums"
"Seht, ich mache alles neu", - das galt auch für die Kirche von Speyer, die bis ins vierte Jahrhundert zurückreicht und zu den ältesten Kirchen Deutschlands zählt. Vor 200 Jahren, erinnert Bischof Wiesemann, war die Kirche am Ende. Aufklärung und Säkularisierung standen dem Geltungsanspruch der Kirche im Wege. Dabei gehöre Umkehr zum Christsein dazu.
"Das kirchliche Leben im Bistum musste sich in allen Bereichen neu erfinden", so Wiesemann. In einer wirtschaftlich schwachen, politisch unstabilen und unruhigen Umgebung mit einem veralteten Klerus und der Bevormundung der Kirche durch den Bayrischen Staat: "Man könnte sagen, es war zum Davonlaufen." Tatsächlich hat es die ersten Bischöfe nicht lange in Speyer halten können. Erst Bischof Nikolaus von Weis blieb in Speyer und trug dazu bei, das prophetische Wort Jesajas anschaulich zu machen: "Sehr her, nun mache ich etwas Neues, schon sprießt es hervor, merkt ihr es nicht?"
Charismatische Persönlichkeiten ließen das Bistum heranreifen, befreiten es vom weltlichen Anspruch und begannen, eine neue, geistliche seelsorgerliche Dynamik freizusetzen. "Das war kein Rückzug aus der Welt, im Gegenteil!", so Wiesemann. Es seien charismatische Persönlichkeiten gewesen, die den Neuaufbruch der Diözese schufen durch die "funkende Verbindung von tiefer Christusfrömmigkeit mit der inneren Berührung durch die soziale Frage des Jahrhunderts, durch die Nöte der Menschen." Erneuerung der Kirche gehe nie nur geistlich oder diakonisch-sozial. Beides müsse zusammenkommen, damit das Evangelium zum neuen Leben erwache und die Menschen selbst zum Evangelium würden, betonte Wiesemann.
Mystik und Gesellschaftsgestaltung
"Immer ist die Kirche aus diesem zündenden Gemisch von Gottes- und Menschenliebe erwachsen", sagte Wiesemann. So geschah es auch in Speyer. Ein starkes Laienapostolat, die älteste Bistumszeitung Deutschlands (1848) und klare, soziale und auch politische Katholikentage oder der "mutige Widerstand von unten gegen das Naziregime" hätten das Bistum Speyer seit der Neugründung geprägt. "Die vielen aus tiefem christlichem Bewusstsein engagierten Menschen sind unser eigentlicher Schatz und das lebendige Gesicht der Diözese. An diesem Punkt ist die Entwicklung aber noch nicht am Ende, vielleicht liegt sie noch in den Geburtswehen",
"Geist von oben und Mut von unten, diese Symbiose verändert das Angesicht der Welt", so der Bischof.
Blick nach vorn
"Die Zukunft der Kirche muss und wird ökumenisch geprägt sein", betonte Wiesemann und sprach auch die "verrückte und wirre Situation" der Welt an. Diese berge indes eine große Chance.
Die Menschen müssten "aufwachen und die großen gemeinsamen Ziele wieder in Mitte rücken". Viele suchten nach einer gemeinsamen Vision, um aus den fatalen Kreisläufen dieser Welt auszubrechen. Dazu gebe der christliche Glaube die Kraft, so Wiesemann.