Es gibt da diese kleine Anekdote vom hl. Hieronymus, einem unserer ältesten Kirchenlehrer aus den frühen Jahrhunderten des Christentums. Der Heilige liegt mit heftigem Fieber im Bett. Während er dem Tod nahe ist, hat er einen Fiebertraum. Er meint, vor Christus zu stehen.
Später schreibt er in einem seiner Briefe dazu: „Nach meinem Stande befragt, gab ich zur Antwort, ich sei Christ. Der auf dem Richterstuhl saß, sprach aber zu mir: Du lügst, du bist ein Ciceronianer, aber kein Christ. Wo nämlich dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“. Hieronymus liebte es nämlich, heidnische Autoren wie etwa den römischen Dichter Cicero zu lesen. Nach diesem Erlebnis allerdings schwor sich Hieronymus, nie wieder ein Buch eines heidnischen Autors anzufassen.
Wir würden heute mit Sicherheit nachsichtiger urteilen, wenn jemand heidnische Autoren liest. Aber darum geht es hier auch gar nicht. Es geht vielmehr um das Wort Jesu: „Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“. Es geht um die Frage: Wer oder was steht im Mittelpunkt meines Lebens? Jesus? Sein Wille für mich? Sein Evangelium? Ist er mein Schatz? Dieser Frage musste sich nicht nur der hl. Hieronymus stellen. Sie gilt auch heute mir und dir.
Übrigens: Jesus und seinen Willen ins Zentrum des eigenen Lebens zu stellen, ist dann auch der Anfang aller Neuevangelisierung. Denn die fängt bekanntlich ja im eigenen Herzen und im eigenen Leben an.
Ihr Rainer Woelki
Erzbischof von Köln