DOMRADIO.DE: Wie war es für Sie, als beim Weltjugendtag in Panama 2019 angekündigt wurde, dass der nächste Weltjugendtag in Lissabon stattfinden wird?
D. Américo Manuel Alves Aguiar (Weihbischof von Lissabon und Präsident der Weltjugendtags-Stiftung Lissabon 2023): Wir wussten das natürlich schon vorher, das war zu 99 Prozent klar, aber es fehlte eben noch die finale Bestätigung von Kardinal Farrell, der dann nach dem Abschlussgottesdienst in Panama ankündigte: "Der nächste Weltjugendtag findet in Portugal statt!" In Panama war die Erleichterung groß, weil alles gut gelaufen war und bei uns machte sich neben der Freude dann auch eine gewisse Sorge breit, denn das ist eine große Verantwortung.
DOMRADIO.DE: Und was bedeutet der WJT für die Kirche und die jungen Menschen in Portugal?
Bischof Américo Aguiar: Wir wollen damit "Danke" an alle anderen Diözesen sagen, die uns in den letzten 30 Jahren zu Weltjugendtagen empfangen haben. Es ist eine große Verantwortung, die Städte wie Madrid, Sydney, Panama, Rio, Krakau oder eben auch Köln übernommen haben, als sie hunderttausende Jugendliche eingeladen haben. Wir sind jetzt hier im Endspurt: In 100 Tagen beginnt der WJT in Lissabon und rational betrachtet ist das eigentlich alles nicht zu schaffen. Aber wir wissen, dass es uns mit Gottes Hilfe gelingen wird und das nimmt uns eine enorme Last von den Schultern.
DOMRADIO.DE: Wie ist denn der Stand der Vorbereitungen? Werden Sie langsam nervös, weil noch nicht alles fertig ist?
Bischof Américo Aguiar: Nein, ich mache mir keine Sorgen. Hier passieren gerade viele Dinge gleichzeitig: Die Konzepte für Sicherheit und Transport, die Versorgung mit Lebensmitteln und die Unterbringung der Pilger werden gerade finalisiert. Es wird ein breites Kulturprogramm geben und ein Jugendfestival in Belém mit Berufungspastoral und Katechesen.
Hunderte von Jugendlichen arbeiten gerade gleichzeitig daran. Das ist der erste Weltjugendtag, wo die Mehrheit der Pilger in den 90er Jahren geboren wurde; als Digital Natives gehen sie anders mit Kommunikation um und dem passen wir uns an: Zum Beispiel wird es das Pilgerbuch mit den Gebeten und Liedern nicht mehr in Papierform geben, sondern als App. Für uns ältere Generationen mag das ein bisschen unbequem klingen, aber wir nehmen die Herausforderungen der digitalen Revolution an.
DOMRADIO.DE: Portugal ist in einer wirtschaftlich schwierigen Lage, die Arbeitslosigkeit ist hoch, das Land leidet an den Folgen des Ukraine-Krieges und der Pandemie. Es gab Kritik, dass die Ausgaben von schätzungsweise 36 Millionen Euro für den WJT angesichts dieser Krise ungerechtfertigt seien. Was antworten Sie drauf?
Bischof Américo Aguiar: Ich kann diese Kritik verstehen. Es ist richtig, dass der Weltjugendtag Kosten verursacht. Aber wir möchten vermitteln, dass dieses Ereignis auch etwas ganz Besonderes für die Jugendlichen ist: Junge Menschen auf der ganzen Welt haben unter der Pandemie gelitten, zwei Jahre lang waren sie quasi eingesperrt. Jetzt wollen wir ihnen die Möglichkeit geben zu reisen und persönliche Begegnungen mit anderen zu erleben. Wir wollen junge Menschen aus allen Kontinenten zusammenbringen: reiche, arme, gläubige, zweifelnde. Aber das gibt es nicht umsonst, doch wir sollten diese Ausgaben als Investition begreifen. Die Besucher werden hier auch Geld ausgeben für Unterkunft, Verpflegung oder Transport, darum bevorzuge ich den Begriff "Investitionen" anstatt "Ausgaben": Wir investieren in unser Land und in die Zukunft der Jugendlichen. Ich bin überzeugt, dass die Bilanz am Ende positiv sein wird.
DOMRADIO.DE: Es gab auch Kritik an den Kosten für die Altarbühne bei der Abschlussmesse mit dem Papst, die sich auf rund 5 Millionen Euro belaufen sollten. Warum muss das so teuer sein?
Bischof Américo Aguiar: Das war ein Problem, das wir neu überdenken mussten. Dazu muss man wissen: Die Vigil und die Abschlussmesse finden nördlich des "Parque do Tejo" am Ufer des Tejo statt auf einem Gelände, wo früher eine Mülldeponie und Industriebrache lagen, die jetzt zu einem ökologischen Naherholungsgebiet auf einer Größe von über 70 Hektar umgewandelt werden. Das erfordert natürlich einen finanziellen Aufwand.
Dann die Frage der Altarbühne: Diese sollte ursprünglich eine Gesamthöhe bis zu zwölf Metern haben, damit die Jugendlichen auch über eine Entfernung von mehreren Kilometern den Papst sehen können. Das haben wir jetzt modifiziert, sie wird nur vier Meter hoch sein. Das ist nicht so optimal, aber wir nehmen die Kritik auf und ändern das zusammen mit der Stadt und der portugiesischen Regierung, um die Kosten zu reduzieren. Ich halte das für wichtig, dass wir uns damit auseinandersetzen.
DOMRADIO.DE: Fátima ist eines der bedeutendsten Marienheiligtümer in Europa und für die Portugiesen der wichtigste Wallfahrtsort - was hat Fátima mit dem Weltjugendtag zu tun?
Bischof Américo Aguiar: Es ist das zweite Mal, dass der Papst einen marianischen Weltjugendtag ausruft. In Panama lautete das Motto: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe wie du es gesagt hast". Jetzt sind wir bei der Fortsetzung der Geschichte, unser Motto ist: "Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg".
Hier in Portugal ist die Marienverehrung groß und Fátima ist für uns alle ein wichtiger Ort, weil die Gottesmutter hier drei Hirtenkinder ausgewählt hat, um ihnen ihre Botschaften zum Frieden und zur Brüderlichkeit zu offenbaren; eine Botschaft, die heute aktueller denn je ist. Darum erarbeiten wir gerade ein Konzept, damit die Jugendlichen bereits vor, während und nach dem Weltjugendtag nach Fátima kommen können, um dort diese Erfahrung zu machen.
DOMRADIO.DE: Wird der Papst Fátima besuchen?
Bischof Américo Aguiar: Ja, er hat angekündigt, dass er in Fátima beten möchte, aber es wird ein privater Besuch sein, wenngleich "privat" bei ihm meist bedeutet, dass trotzdem noch Tausende mitreisen. Aber einen offiziellen Auftritt wird es dort nicht geben.
DOMRADIO.DE: Welche Botschaft soll mit dem Motto des WJT an die Jugendlichen gehen: "Maria stand auf und machte sich eilig auf den Weg", eine Stelle aus dem Lukasevangelium, in der Maria nach der Verkündigung zu ihrer Verwandten Elisabeth eilt?
Bischof Américo Aguiar: Zum einen geht es um das Aufstehen: Der Papst ist manchmal ein bisschen provokant mit seinen Botschaften, denn er will sagen: "Los, runter vom Sofa! Nicht nur zugucken, sondern handeln! Gestaltet Euer Leben, trefft Entscheidungen! Ihr seid die Protagonisten Eures Lebens, so wie Maria eine Entscheidung getroffen hat!"
Und zum anderen heißt es, dass sie sich eilig auf den Weg machte: Das heißt, dass wir nicht lange zögern und nachdenken sollten. Wir sollten keine Angst haben, auch wenn Dinge ungewiss sind und wir unsere Komfortzone verlassen müssen.
Es ist die Einladung oder vielmehr eine Aufforderung an die Jugendlichen, dass sie Träume haben und für ihre Verwirklichung kämpfen sollen. Dass sie Akteure werden und nicht das Leben anderer leben. Ich bin überzeugt, dass Gott für jeden von uns einen besonderen Plan hat und wir den Jugendlichen helfen sollten, diesen Plan zu wirklichen.
DOMRADIO.DE: Worauf freuen Sie sich beim Weltjugendtag persönlich am meisten?
Bischof Américo Aguiar: Mein Leben lässt sich gerade einteilen in ein "vorher" und "nachher". Und ich wünsche mir, dass ich nach dem Weltjugendtag Jugendlichen aus aller Welt begegnen werde, die mir sagen: "Lissabon hat mich verändert!" Ob sie nun in ihrem Glauben bestärkt werden oder bessere Bürger werden, sich mehr für die Umwelt engagieren oder etwas für die Gesellschaft tun. Ich wünsche mir, dass sie sich durch die Begegnung mit dem Papst und den anderen jungen Menschen verändern und dass Lissabon eine Spur in ihrem Leben hinterlässt.
Darum fordere ich auch alle auf, die jetzt noch überlegen: Kommt nach Lissabon, ihr würdet es sonst sicher bereuen! Das wird eine einzigartige Erfahrung und gerade jetzt in Krisenzeiten brauchen wir die Stimme der Jugendlichen, die laut sind, die die Welt verändern wollen und die bereit sind, dafür zu kämpfen.
Das Interview führte Ina Rottscheidt.