Nach dem großen "Gewusel" der letzten Tage vor Weihnachten, als das Chorgestühl aufgebaut und am nächsten Tag dann die Lautsprecheranlage installiert wurde, hätte ich nicht zu hoffen gewagt, ein derart intensives, geistliches Weihnachten zu feiern. Freitagabend standen Sr. Rafael und ich gemeinsam in der Kirche und fragten uns: Wie machen wir es nun mit der Krippe? Vorher ausprobiert hatten wir, dass wir das Kind nehmen wollen, das Sr. Josephine mitgebracht hat, und es in die Krippe von Jan legen. Aber alles andere… Nachmittags hatte ich im Garten einen großen geschwungenen Ast gefunden. Ja, und dann hatte ich noch von Steffi zum Geburtstag die Amaryllis-Knolle und die rote Kerze bekommen. Als ich die holte, fiel mein Blick auf das Bild von Sr. Eva-Maria, das in meinem Büro hängt. Noch ein paar Tücher dazu… Es dauerte nur Minuten, dann wussten wir: Genau das ist es! Es war für uns auf Anhieb stimmig und ist es bis jetzt noch. Ich habe noch selten so gerne vor einer Krippe gesessen 😊
Krippe und Kind kamen wieder weg und der Rest blieb bis zur 1. Vesper von Weihnachten so stehen und faszinierte nicht nur uns, sondern auch die ersten Gottesdienstbesucher, die zu unserer Überraschung bereits zur Vigilmesse am Samstagmittag um 11.30 Uhr kamen… Wir sangen die gregorianische Messe Hodie scietis – "Heute sollt ihr wissen, dass der Herr kommt und morgen werdet ihr schauen seine Herrlichkeit." Pater Joseph, aus der Dormitio in Jerusalem, der nun schon seit einigen Wochen als ein zweiter Bruder auf Zeit mit uns lebt, zelebrierte und fand als Benediktiner die richtigen Worte dazu. Jan feierte derweil seine erste Christmette in einem Stall im Bergischen… Es war für mich eine der dichtesten Vigilmessen, die ich je mitfeiern durfte: Sehnsucht, Erwartung, Verheißung… der Schrei nach Erlösung.
Die Christmette, die wir mit Jan zuvor vorbereitet hatten, wurde dann zu einem echten Highlight. Wegen der ungewohnt frühen Zeit (18 Uhr), die wir bewusst übernommen haben, standen wir vor der Frage: Wohin mit der Weihnachtsvigil? Wir kamen auf die Idee einige Teile zu integrieren und den Rest dann später in die Nacht hinein zu feiern.
Es war genau diese Mischung: Traditionelle Weihnachtslieder, Figuren der Krippe (vom Ochsen bis zum Engel), denen Jan ihre je eigene Perspektive in den Mund gelegt hatte, was vom Ambo aus von Gästen und Sr. Rafael als Engel vorgelesen wurde; Sr. Tabita legte das Kind in die Krippe… und dann sang Sr. Rafael die 3. Nokturn (Jesaja 9) als Alleluja: "Das Volk, das im Dunkeln wandelt, schaut ein helles Leuchten … Jeder Soldatenstiefel, der dröhnend auftritt und jeder Mantel mit Blut besudelt, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers… und des Friedens wird kein Ende sein…" Diese starken Worte des Propheten Jesaja trafen mich tief angesichts des Ukrainekrieges und aller Gewalt in unserer Welt.
Dann kam das Weihnachtsevangelium. Wir sangen "Stille Nacht", und anschließend entfaltete Jan in einer zu Herzen gehenden Predigt diese besondere Spannung, in der das diesjährige Weihnachtsfest steht… Das Echo der zahlreichen Gottesdienstbesucher (die Kirche war richtig voll, so voll wie bisher noch nie) war stark: Im Gesang wie auch in den Rückmeldungen bei der anschließenden Agape, die eine frohe Feier und einen herzlichen Austausch mit sich brachte. Es waren erstaunlich viele jüngere und junge Leute in der Christmette und den anderen Weihnachtsmessen.
Als gegen 20.15 Uhr alle Gäste gegangen waren, haben wir uns zum Abendessen im Refektorium getroffen und danach, in die Stille der Nacht hinein und in der Kirche um die Krippe versammelt, den "Rest" der Vigilien gesungen und gebetet. Das Te Deum verklang als ein offener Schluss hinein in diese Heiligen Nacht…
Dankbar, wenn auch ein wenig müde, schauen wir auf unser erstes Weihnachtsfest in Angermund zurück. Wir sind noch einmal tiefer hier angekommen und fühlen uns zuhause.