Vielen galt Kardinal Angelo Scola 2013 als sicherer Nachfolger von Benedikt XVI., sodass Italiens Bischofskonferenz damals versehentlich und verfrüht ein vorbereitetes Glückwunschtelegramm verschickte. Doch neuer Papst wurde Kardinal Jorge Bergoglio aus Buenos Aires. An diesem Sonntag wird Scola 80 Jahre alt und scheidet aus dem Kreis der Papstwähler aus. Damit erreicht dieser illustre Kreis die vorgesehene Richtgröße von 120 Kardinälen.
Wortführer des konservativen Flügels
Lange Zeit zählte der gebürtige Norditaliener und renommierte Theologe zu den wichtigsten Männern der Kirche in Italien und galt als Wortführer des konservativen Flügels. Mit Mailand stand Scola seit 2011 einem der größten Bistümer der Welt vor: Rund fünf Millionen Katholiken hatte Scola zu betreuen. Auch im Vatikan hat sein Wort Gewicht.
Der Kardinal gehörte laut dem Päpstlichen Jahrbuch 2016 insgesamt acht Ministerien an, so vielen wie wenige andere Kardinäle. Aktuell ist Scola noch Mitglied der Glaubenskongregation und des Rates zur Neuevangelisierung, jene von Benedikt XVI. gegründete Kurienbehörde, die sich um Glaubensverbreitung in säkularen Gesellschaften kümmern soll.
Werdegang
Geboren am 7. November 1941 in Malgrate am Südostzipfel des Comer Sees wurde Scola in jungen Jahren von Luigi Giussani geprägt, dem Gründer der Bewegung "Comunione e Liberazione". Nach zwei Jahren Ingenieurstudium in Mailand wechselte er an die dortige katholische Universität, um Philosophie zu studieren.
Mit dem Entschluss, Priester zu werden, trat Scola 1967 ins Mailänder Priesterseminar ein, wechselte später aber nach Terme in den Abruzzen. Dort wurde er 1970 geweiht. Zuvor studierte Scola ein Jahr im schweizerischen Fribourg und promovierte dort über den spanischen Theologen und Philosophen Melchior Cano (1509-1560).
Gleichzeitig wurde Scola zunehmend bei "Comunione e Liberazione" aktiv, galt jahrzehntelang als Protektor der 1954 gegründeten und heute international verbreiteten Bewegung. Zudem gehörte er 1972 zu einem Kreis um die Gründer der "Internationalen katholischen Zeitschrift Communio": Joseph Ratzinger, Henri de Lubac und Hans Urs von Balthasar.
Enge Verbindung zu Ratzinger
Das brachte Scola in den Ruf als kenntnisreicher und konservativer Theologe und Geisteswissenschaftler. Nachdem er 1991 erst Bischof im toskanischen Grosseto geworden war, holte ihn Johannes Paul II. 1995 als Rektor an die päpstlichste aller Hochschulen, die Lateran-Universität in Rom. 2002 ernannte er Scola zum Patriarchen von Venedig.
Die seit Anfang der 1970er Jahre bestehende enge Verbindung zu Ratzinger blieb bestehen. Als Papst versetzte dieser Scola 2011 als Erzbischof zurück in sein Heimatbistum Mailand. Das Verhältnis zu Franziskus indes gilt als weniger herzlich. Im Pontifikat des Argentiniers wurde es merklich stiller um Scola.
In Italiens Bischofskonferenz führten nun die neu ernannten Kardinäle und Bischöfe bislang randständiger Bistümer verstärkt das Wort. Scolas pflichtgemäßes Rücktrittsangebot von Ende 2016 nahm Franziskus bereits im Juli 2017 an, so dass der Kardinal als Erzbischof von Mailand bereits mit gut 75 Jahren in den Ruhestand treten musste. Sein Nachfolger in Mailand, Erzbischof Mario Delpini, erhielt wie viele andere Leiter großer traditioneller Diözesen bislang keinen Kardinalshut – auch weil sein Vorgänger bis zum 80. Geburtstag noch das Recht zur Papstwahl hatte.