Er hatte die Untersuchung in Auftrag gegeben. Die Studie wurde an diesem Montag in Berlin vorgestellt.
Unter den prominentesten Namensgebern, für die eine entsprechende Empfehlung ausgesprochen wird, sind dabei der Kirchen-Reformator Martin Luther (1483-1546) sowie der Komponist Richard Wagner (1813-1883), deren Namen zahlreiche Straßen und Plätze in Berlin in Zukunft eventuell nicht mehr tragen könnten.
Die Verantwortung für die potenzielle Umbenennung liege bei den Bezirken, so Salzborn mit Blick auf die gesetzliche Regelung. "Dies ist nicht der Punkt, an dem man sich ausruhen kann. Jeder Bezirk sollte sich mindestens einmal ernsthaft die Frage stellen, was man damit jetzt machen soll", so Salzborn.
Gleichzeitig wandte er sich gegen einen "konfrontativen Umgang" in der Debatte. Auch Bedenken "pragmatischer Natur" - wie etwa die Änderung von persönlichen Ausweisdokumenten bei einer Straßennamenänderung - sowie Vorbehalte "weltanschaulicher Natur" müssten gehört werden. Da Straßennamen grundsätzlich eine hohe Form der Ehrung darstellten, gehe es aber auch darum, ob eine fragwürdige Benennung der weltoffenen Stadt Berlin "in ihrem Ansehen schaden könnte".
290 Straßen und Plätze "mit antisemitischen Bezug"
Aufgeführt werden insgesamt 290 Straßen und Plätze "mit antisemitischen Bezug". Für etwa 40 Straßen empfiehlt Studienautor Felix Sassmannshausen explizit eine Umbenennung. Für die anderen wird weitere Forschung und dann gegebenenfalls eine Umbenennung, eine Kontextualisierung im digitalen Straßenverzeichnis oder ein erweiterter Hinweis durch Informationstafeln vor Ort vorgeschlagen.
Die Handlungsempfehlungen richteten sich "nach dem Grad antijüdischer und antisemitischer Bezüge", hieß es. "Ein Autor, der im Mittelalter in einer Schrift ein antijüdisches Motiv aufgreift und unkritisch wiedergibt, ist anders einzuordnen als ein Mitglied der völkisch-antisemitischen Deutschnationalen Volkspartei", so Politikwissenschaftler Sassmannshausen. Der Antisemitismus bei Richard Wagner oder der Antijudaismus bei Martin Luther etwa sei "breit diskutiert worden und unzweifelhaft", sagte er.
Für den Hindenburgdamm, der nach dem ehemaligen Reichspräsidenten Hindenburg (1847-1934) benannt ist, wird genauso eine Umbenennung empfohlen wie für die Treitschkestraße, die ihren Namen von Heinrich von Treitschke (1840-1927) herleitet. Er hatte den Ausspruch "Die Juden sind unser Unglück" geprägt.
Auch Autoren wie Goethe (1782-1832) oder Theodor Fontane (1819-1898) und Wilhelm Raabe (1831-1910) listet die Studie auf. Bei diesen empfiehlt Sassmannshausen weitere Forschung sowie Kontextualisierung.
Kolbe und von Galen auf der Liste
Ebenso tauchen in der Liste der Namensgeber mit antisemitischen Bezügen Personen auf, die sich gegen das NS-Regime engagierten. Dazu zählt etwa Claus Graf Schenk von Stauffenberg (1907-1944), der ein Attentat auf Hitler verübte und dafür hingerichtet wurde. Genannt wird auch der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen (1878-1946), der sich öffentlich gegen das Euthanasie-Programm der Nazis wehrte. Auch Pater Maximilian Kolbe (1894-1941) ist darunter, der im KZ Auschwitz anstelle eines polnischen Familienvaters freiwillig in den Hungerbunker ging und dort ermordet wurde.
Die Leiterin der Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Deborah Hartmann, sagte: "Ein neuer Straßennamen soll die Geschichte nicht unsichtbar machen, sondern ein Zeichen sein, dass wir uns unserer Vergangenheit und Gegenwart bewusst sind." Kritische Auseinandersetzung mit Antisemitismus müsse "vor der Haustür" beginnen.