Es gibt Stimmen, die Sprechen von einer historischen Entscheidung, die am Wochenende im Vatikan gefallen ist. Die Amazonas-Synode hat ihr Schlussdokument veröffentlicht, und was da drin steht, das hat es in sich. Regionale Ausnahmen für den Zölibat sind angedacht, Laien in Gemeindeleitung und neue Ämter für Frauen. Alles das macht Schlagzeilen im Moment. Die Bischöfe, Experten und Indigenen, die dabei waren, legen aber ganz andere Schwerpunkte. In nur zehn von über 120 Punkten geht es um diese Konflikt-Themen, viel wichtiger sei es, dass die Kirche sich für den Schutz der Natur einsetzt.
Genauso für einen Wandel in der Gesellschaft, ein Ende der Ausbeutung von Mensch und Umwelt. Das Wort, das hier im Abschlussdokument verwendet wird, heißt Umkehr. Gesellschaftlich, pastoral, ökologisch und synodal. Die vier Punkte stehen im Vordergrund. Drei Wochen lang wurde um das Abschlussdokument gerungen, gerade in der letzten Woche gab es hinter verschlossenen Türen wohl noch mal heftige Auseinandersetzungen, heißt es aus Verhandlungskreisen. Insbesondere bei den Themen der Frauenämter und der "viri probati", der Priesterweihe für Familienväter. Da scheint es fast wie ein Wunder, dass alle 120 Punkte des 31-seitigen Synodenpapiers mit mindestens zwei Drittel Mehrheit beschlossen wurden.
Ein neuer Geist
Es wehe ein neuer Geist in der Kirche, sagt Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer des katholischen Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat, der als Experte an der Synode teilgenommen hat: "Für mich war die große Offenheit, alle Themen anzusprechen ein wirklich sehr wichtiger Moment, wo ich gesehen habe: Hier ist Kirche wirklich auf dem Weg, hier geht Kirche auch andere Wege. Das hätte ich nicht so erwartet, muss ich sagen. In dem Dokument finde ich auch sehr viel von dem, was wir in den Gruppen diskutiert haben. Das ist wirklich eine andere Art Kirche zu sein."
Es ist ein ganzheitliches Dokument, das ganz im Sinne von Papst Franziskus die Menschen an den Rändern der Gesellschaft in den Mittelpunkt stellt. Es geht um die indigenen Völker, die seit 500 Jahren katholisch sind, um die sich die Weltkirche bis jetzt aber nur spärlich gekümmert hat. Liest man das Synoden-Dokument, erinnern einige Zeilen an Aussagen des zweiten Vatikanischen Konzils, so soll es zum Beispiel möglich gemacht werden, den Indigenen das Evangelium in ihren Heimatsprachen zu verkünden.
Auch ein eigener Ritus für den Amazonas wird angedacht. So etwas gibt es zum Beispiel auch in den katholischen Ostkirchen oder einigen afrikanischen Regionen. Im sogenannten Zaire-Ritus der 1970er Jahre, zum Beipiel, wird den Gemeinden zugestanden, im Gottesdienst ihre Ahnen anzurufen, oder um den Altar zu tanzen. 23 solcher verschiedener katholischer Riten gibt es in der Weltkirche. Mit dem Amazonas vielleicht bald dann 24.
Vermittler im Vatikan
Gebremst wird der Übermut aber auch, unter anderem von Wiens Kardinal Christoph Schönborn, der als Vermittler der Progressiven und Konservativen im Vatikan gilt. Es dürfe nicht dazu kommen, dass jedes Land seine eigene Nationalkirche mit eigenem Ritus schaffe, sagte er gegenüber Vatican News. Er stelle es sich schwierig vor, einen gemeinsamen Amazonas-Ritus für rund 160 einzelne Völker einzuführen.
Alles das muss sich mit der Zeit zeigen. Genau wie die Frage der "viri probati", der verheirateten Priester. Sowas könne man nicht von heute auf morgen umsetzen, so Pater Heinz von Adveniat: "Die Personen, die geweiht werden sollen, müssen sich ja auch erst mal vorbereiten. Erst mal ist an die ständigen Diakone gedacht, die schon verheiratet sind. Da weiß ich von einigen Bischöfen, dass sie jetzt wirklich daran denken, ein Programm zu machen, dass die vielleicht in zwei, drei Jahren vorbereitet werden. Dass wir dann sicherlich die ersten Anträge an den Papst haben, und dann auch diese Ausnahmen gemacht werden."
Teil der "Regierung"?
Den größten Dämpfer für die Progressiven gibt es in Sachen Frauendiakonat. Hier wurde nichts entschieden, sondern eine Entscheidung vertagt. Man solle darüber nachdenken, die päpstliche Kommission zum Thema noch mal ins Leben zu rufen, die Anfang des Jahres solch eine Praxis für die Kirche eigentlich ausgeschlossen hatte. Es gibt dagegen andere Ideen, zum Beispiel für neue Leitungsämter in der Kirche, die explizit Frauen geöffnet werden, die ihren Weg ins Dokument gefunden haben. Frauen sollen Teil der "Regierung" der Kirche sein, heißt es im Dokument. – Eine fehlende Entscheidung über den Diakonat sei aber nicht all zu hoch zu hängen, betont Schwester Birgit Weiler.
Die Missionsärztliche Schwester aus Lima in Peru hat auch als Expertin an den Beratungen teilgenommen. Man habe besprochen und angeregt, was ging, da dies aber eine außerordentliche Synode für die Amazonasregion war, kann die eine solche Entscheidung nicht fällen. Das müsse in einem Gremium passieren, das für die Weltkirche sprechen kann.
"Energie in den Diskussionen"
Mit dem Dokument, wie es vorliegt, ist die Ordensschwester zufrieden, wie auch die Indigenen selbst, die in jahrelanger Vorbereitung daran mitgewirkt haben. "Das Dokument gibt sehr gut wieder, wo die Energie in den Diskussionen gesteckt hat. Themen, die nicht nur den Synodenvätern ein Anliegen waren, sondern den über 80.000 Menschen, die am Konsultationsprozess beteiligt waren. Das lag uns allen am Herzen, und da haben auch die indigenen Vertreterinnen und Vertreter sehr drauf geachtet", sagt Schwester Birgit.
Da die Synode nur ein Beratungsgremium des Papstes ist, ist nicht zu erwarten, dass all diese Punkte nun sofort umgesetzt werden. Franziskus hat die Freiheit daraus zu machen, was ihm am sinnvollsten erscheint. Im Vatikan rechnet man mit einem Papstschreiben zu Amazonien im kommenden Frühjahr. Da Papst Franziskus an den drei Wochen Beratungen aktiv beteiligt war, ist nicht davon auszugehen, dass dieses Schreiben in eine komplett andere Richtung geht. Wenn er aber offiziell all die Punkte von "viri probati", über Frauenweihe bis zum Umweltschutz anspricht, hat er mit der Synode auch das Votum der Weltkirche im Rücken.