Moraltheologe empfiehlt bewussten Fleischkonsum

"400 Gramm pro Woche reichen"

Nicht erst seit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies war die Lage in der Fleischindutrie prekär. Für Moraltheologe Michael Rosenberger ist klar: Nur wenn die Preise steigen und viele Menschen ihren Fleischkonsum reduzieren, wird sich das bessern. 

Fleischtheke in einem Supermarkt / © wavebreakmedia (shutterstock)
Fleischtheke in einem Supermarkt / © wavebreakmedia ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Können wir noch mit gutem Gewissen Fleisch essen?

Michael Rosenberger (Professor für Moraltheologie in Linz): Es kommt darauf an, wo das Fleisch herkommt. Wenn wir wirklich schauen, dass wir Fleisch aus handwerklicher Schlachtung von kleinen Betrieben kaufen, die ihrerseits darauf achten, wie die Tiere gehalten werden und ob sie ein gutes Leben haben, bevor sie geschlachtet werden, kann man durchaus guten Gewissens Fleisch essen. Aber das heißt natürlich, erheblich mehr dafür zu bezahlen als das, was man im Supermarkt zahlt oder wenn man es von Großschlachtereien kauft.

DOMRADIO.DE: Die Zahlen der Vegetarier und Veganer bei uns nimmt zu. Trotzdem wird die Situation in der Fleischindustrie immer prekärer. Ist das nicht ein Widerspruch?

Rosenberger: Na ja, die Zahl der Vegetarier und Veganer nimmt etwas zu, das stimmt. Aber der Fleischkonsum pro Kopf in Deutschland nimmt in den letzten Jahren nur sehr, sehr geringfügig ab, etwa ein, zwei Prozent. Das sorgt noch nicht für Aufregung bei den Produzenten.

Die andere Seite ist natürlich, dass die großen Schlachtereien in Deutschland mittlerweile auch sehr viel Fleisch ins Ausland exportieren. Die Steigerungsraten im Umsatz dieser Betriebe liegen nicht mehr im innerdeutschen Verkauf, sondern tatsächlich im Export. Von daher müssten wir - auch wenn wir hier strengere Regeln fordern - endlich hinterfragen, ob Deutschland das Exportland Nummer eins beim Fleisch sein muss.

DOMRADIO.DE: Das heißt, wir können mit unserem Einkaufsverhalten gar nicht so wirklich etwas ändern an der Situation?

Rosenberger: Doch, das können wir natürlich schon, weil der Heimatmarkt trotzdem immer noch ein großer Absatzmarkt ist, aber die Wirksamkeit von Veränderungen tritt erst ein, wenn eine beträchtliche Zahl von Menschen bereit ist, die Art und Menge des Fleischkonsums zu verändern.

Und momentan ist es so, dass das zu wenige tun, um tatsächlich etwas zu bewirken. Um es in Zahlen auszudrücken: Der Anteil von Bioprodukten beim Konsum von pflanzlichen Lebensmitteln liegt bei zehn bis zwölf Prozent, beim Fleisch sind es nur drei, vier Prozent. Da merkt man schon: Bei Pflanzen sind die Mehrkosten für eine ökologische Produktion bei weitem geringer als beim Fleisch. Das heißt, die Preisdifferenz zwischen konventionellen und Öko-Produkten ist nicht so hoch. Beim Fleisch ist sie relativ hoch, da beträgt sie fast ein Drittel. Und da sagen dann viele: Das ist mir jetzt doch zu viel, dann bleibe ich beim Billigfleisch.

DOMRADIO.DE: Die Nachfrage von unserer Seite für Bio-Fleisch müsste quasi so hoch sein, dass es sich für die Industrie lohnt, sich darauf zu spezialisieren?

Rosenberger: Genau. Wenn das einen gewissen Schwellenwert übersteigt, dann wird die Fleischbranche auch darauf reagieren. Momentan ist es aber de facto noch nicht so. Momentan reagiert der allergrößte Teil der Menschen tatsächlich auf das Billigprodukt, kauft hier die Menge ein und schaut nicht auf die Qualität. Man muss ja dazu sagen: Wenn ich mir ein Schnitzel aus Bio-Produktion kaufe, dann habe ich vielleicht die doppelte Menge auf dem Teller, wie wenn ich dasselbe Schnitzel aus einer konventionellen Haltung kaufe, weil es einfach eine bessere Qualität hat. Aber das sehe ich erst, wenn ich es verarbeitet und auf dem Teller habe und nicht schon, wenn ich es im Supermarkt kaufe.

DOMRADIO.DE: Jetzt stellen sich viele Leute die Frage: Was bedeutet das für meinen konkreten Alltag? Wir sollten den Fleischkonsum reduzieren. Haben Sie einen Richtwert?

Rosenberger: Wenn man es richtig gut machen will, wären es etwa 300 bis 400 Gramm Fleisch und Wurst in der Woche. Das würde heißen, jeden zweiten Tag eine kleine Fleisch-Mahlzeit mit 100 Gramm - das wäre ein Richtwert. Davon sind wir sehr weit entfernt. Wir essen das drei- bis vierfache von der Menge. Das heißt, man muss sich da langsam hinarbeiten.

Aber es wäre schon eine wichtige Überlegung, mal zu schauen: Kann man wieder fleischfreie Tage in der Woche einführen? Der Freitag ist von der Kirche her klassisch fleischfreier Freitag geboten worden. Kann man vielleicht auch den Mittwoch, der traditionell auch fleischfrei war, wieder fleischfrei machen? Wenn ich weniger Fleisch esse, kann ich dann durchaus deutlich mehr dafür bezahlen und entsprechend damit dem Bauern und dem Metzger die Möglichkeit geben, die Tiere gut zu behandeln.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 


Michael Rosenberger / © privat (DR)
Michael Rosenberger / © privat ( DR )
Quelle:
DR
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