Insgesamt ist es seit dieser Woche deutlich ruhiger geworden. Die Sommerferien stehen vor der Tür.
Am Sonntagabend haben wir uns mit den Studierenden zum Austausch und zum gemütlichen Beisammensein im Gästespeisesaal getroffen. Es waren schöne Stunden, die wir miteinander verbracht haben. Es ist ein großes Geschenk mitzuerleben, wie diese Gruppe junger Frauen und Männer aus aller Welt und aus vier christlichen Konfessionen (katholisch, evangelisch, griechisch-orthodox und koptisch) zusammenwächst.
Auch wenn der Lebensbereich der Schwestern und der Bereich der StipendiatInnen zwei weitgehend autonome Lebensbereiche bilden: Wir als benediktinische Nonnen in unserer Klausur und die Studierende mit einem eigenen Eingang, separaten Gängen und einem eigenen Aufenthaltsraum samt Küche – so ist es doch eine bereichernde Koexistenz im alltäglichen Begegnen wie auch im Wissen umeinander und im Gebet. Neben den zahlreichen Begegnungen mit den Menschen vor Ort, den vielen Gottesdienstbesuchern, Einzelgästen, Gruppen… ist dies nocheinmal eine neue Form fruchtbarer Gemeinschaft.
Mit dankbaren Staunen fühlen wir uns dem Gründungscharisma benediktinscher Klöster ganz nahe. Der hl. Benedikt von Nursia (ca. 480-547) hat seine Klöster als „Oasen“ oder „Inseln“ bewussten und intensiven christlichen Lebens in einer sehr unruhigen und weithin noch nicht christlichen Umwelt gegründet. Heute leben wir ebenfalls in einer unruhigen, weithin nicht mehr oder immer weniger christlichen Welt, und wollen genau das sein: eine Insel oder Oase geistlichen Lebens, die die Gegenwart Gottes in unserer Welt und Zeit sichtbar und spürbar werden lässt.
So unverzichtbar es ist, zu den Menschen an den Rändern der Gesellschaft zu gehen ihnen dort, wo sie leben, nahe zu sein, so notwendig ist es auch, dass es Menschen gibt, die solche Orte erfahrbarer geistlicher Gemeinschaft schaffen und lebendig erhalten, zu denen die Menschen verlässlich kommen können. Was für mich persönlich der richtige Weg ist, ist eine Frage der Berufung. Schon in der Zeit vor meinem Eintritt ins Kloster ist mir da ein Ausschnitt aus „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry (1900-1944) wichtig geworden:
„Der kleine Prinz durchquerte die Wüste und begegnete nur einer Blume. Eine Blume mit drei Blütenblättern, eine recht karge Blume …
»Guten Tag«, sagte der kleine Prinz.
»Guten Tag«, sagte die Blume.
»Bitte wo sind die Menschen«, fragte der kleine Prinz höflich.
Die Blume sah eines Tages eine Karawane vorüberziehen:
»Die Menschen? Es gibt, glaube ich, sechs oder sieben. Ich sah sie vor einigen Jahren. Aber man weiß nie, wo man sie finden kann. Der Wind verweht sie. Sie haben keine Wurzeln, das ist sehr schlecht für sie.«
Wurzeln haben, Raum geben, in dem Menschen Wurzeln schlagen und wachsen können. Vor Ort in einer Gemeinschaft auf dem Weg der Gottsuche zuverlässlich präsent und verfügbar zu sein und durch alle Höhen und Tiefen zu bleiben, das ist der Sinn des benediktinischen Gelübdes der „Stabilitas“, der Beständigkeit.
Silja Walter (1919-2011), die unter dem Namen Sr. Hedwig als Benediktinerin im Kloster Fahr in der Schweiz gelebt hat, beschreibt es in ihrem berühmten „Gebet des Klosters am Rande der Stadt“ so:
Jemand muss zuhause sein,
Herr,
wenn du kommst.
Jemand muss dich erwarten,
unten am Fluss
vor der Stadt.
Jemand muss nach dir
Ausschau halten,
Tag und Nacht.
Wer weiss denn,
wann du kommst?
Herr,
jemand muss dich
kommen sehen
durch die Gitter
seines Hauses,
durch die Gitter –
durch die Gitter deiner Worte,
deiner Werke,
durch die Gitter der Geschichte,
durch die Gitter des Geschehens
immer jetzt und heute
in der Welt.
Jemand muss wachen,
unten an der Brücke,
um deine Ankunft zu melden,
…
Herr, durch meine Zellentüre
kommst du in die Welt
und durch mein Herz
zum Menschen.
Was glaubst du, täten wir sonst?
Wir bleiben, weil wir glauben.
Zu glauben und zu bleiben
sind wir da, –
draussen,
am Rand der Stadt.
Das passt ganz wunderbar zu unserem Leben hier in Angermund.