Zeinabou ist neun Jahre alt. Sie lebt in einem kleinen Dorf in Burkina Faso in Westafrika. Zur Schule geht sie nicht: Eine Behinderung hält sie davon ab. Medizinische Hilfe kann ihre Familie sich nicht leisten. Zu Hause passt Zeinabou auf ihren kleinen Bruder auf und fertigt Strohbesen zum Verkauf.
Es sind kurze, herzzerreißende Schicksale wie dieses, die die Organisation "Save the Children" in ihrem neuen Report schildert. 700 Millionen Kindern geht es demnach wie Zeinabou: Sie werden ihrer Kindheit beraubt. Die Gründe dafür sind extreme Gewalt und Krieg, Flucht und Vertreibung, Frühverheiratung und Frühschwangerschaft, Kinderarbeit, schwache Gesundheit sowie keine Möglichkeit, zur Schule zu gehen.
Was ist Kindheit?
Am stärksten ist Kindheit laut dem Bericht "Stolen Childhood - Geraubte Kindheit" in West- und Zentralafrika gefährdet. Die Helfer haben eine Rangliste von 172 Ländern erstellt, bezogen auf acht Indikatoren wie Mangelernährung, Schulbildung oder Kinderarbeit. Auf dem letzten Platz der untersuchten Länder landete Niger, gefolgt von Angola, Mali, der Zentralafrikanischen Republik und Somalia. Deutschland erreichte Platz 10 hinter anderen europäischen Ländern.
Kindheit definiert der Report als die Zeit im Leben, "in der vor allem gespielt und gelernt wird und in der sich die Persönlichkeit eines Kindes voll entfalten kann". Jedes Mädchen und jeder Junge verdiene eine Kindheit "voller Liebe, Fürsorge und Schutz". Doch was hierzulande wohl die meisten Menschen unterschreiben würden, ist global betrachtet alles andere als selbstverständlich: 16.000 Kinder unter fünf Jahren sterben täglich, oftmals an vermeidbaren Krankheiten wie Malaria oder Diarrhoe. 45.000 Kinder haben im Jahr 2015 allein in El Salvador die Schule abgebrochen - aus Angst vor Gewalt auf dem Schulweg.
Ohne Bildung keine Zukunft
"Save the Children" spricht von einem Teufelskreis: Es sind die verwundbarsten Kinder, die besonders gefährdet sind. So spitzt sich die Krise der durch Konflikte vertriebenen Kinder zu. Eines von 80 Kindern weltweit wird durch Krieg oder Konflikte vertrieben. Vielen Betroffenen bleibt das Recht auf Gesundheit, Bildung und Schutz versagt. Gerade jüngere Kinder haben nie etwas anderes als Entbehrungen erlebt. Am meisten leiden Kinder in Syrien, dem Südsudan, Somalia, der Zentralafrikanischen Republik und Kolumbien unter Konflikten. Wenn die Weltgemeinschaft ihnen nicht helfe, "dann werden wir alle einen enormen Preis zahlen", mahnen die Helfer.
Denn: Wenn Kindern keinerlei Bildung erhalten, haben sie kaum Möglichkeiten, später einmal gegen Armut oder Krankheiten zu kämpfen. Mädchen sind häufiger von Bildung ausgeschlossen als Jungen; etwa 15 Millionen Mädchen werden Schätzungen zufolge nie die Gelegenheit haben, lesen und schreiben zu lernen. Bei den Jungen liegt diese Zahl etwa bei 10 Millionen.
Kinderehen sind weltweit verbreitetes Phänomen
Mädchen aus armen Familien werden wiederum besonders häufig in Kinderehen gezwungen. In Vietnam und auf den Philippinen ist die Wahrscheinlichkeit einer Kinderehe für Mädchen aus armen Familien siebenmal so hoch wie für jene aus wohlhabenden Familien. Die höchsten Raten von Kinderehen sind in afrikanischen Ländern südlich der Sahara sowie in Südasien zu verzeichnen: Im Niger sind 60 Prozent der Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren verheiratet, in Bangladesch 44 Prozent.
Die Auswirkungen, so "Save the Children", sind für die Betroffenen katastrophal - insbesondere dann, wenn Minderjährige schwanger werden. Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt sind weltweit die zweithäufigste Ursache für den Tod von heranwachsenden Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren.
Situation ist "inakzeptabel"
Die Organisation erinnert an einen der wichtigsten Aspekte sowohl der Agenda 2030 wie auch der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen: kein Kind zurückzulassen. Insofern sei es "inakzeptabel", dass weiterhin so vielen Kindern ihr Recht auf Schutz, Lernen, Entfaltung und Spielen verwehrt werde, betont Bidjan Nashat, Vorstand bei "Save the Children Deutschland". Die Regierungen müssten in Kinder investieren und ihre Gleichbehandlung sicherstellen, fordern die Helfer: "Jedes Kind zählt".