Aachener Bischof fordert neue Sicht auf Sexualität

Katholische Lehre zur Sexualität "unterkomplex"

Der Aachener Bischof Helmut Dieser hat seine Haltung zu Reformen der katholischen Sexualmoral bekräftigt. Der jetzige Stand der kirchlichen Lehre werde im Bereich der Sexualität des Menschen bestimmten Wirklichkeiten nicht gerecht.

Katechismus der katholischen Kirche (DR)
Katechismus der katholischen Kirche / ( DR )

Helmut Dieser äußerste sich im Gespräch mit der Deutschen Welle (DW) am Dienstag. "Er ist einfach unterkomplex." Das gelte etwa mit Blick auf Homosexualität. Die katholische Kirche könne homosexuellen Menschen nicht mehr signalisieren, dass ihr Empfinden unnatürlich sei und sie deshalb enthaltsam leben müssten, erklärte der Theologe. Homosexualität sei wissenschaftlich gesehen "keine Panne, keine Krankheit, kein Ausdruck eines Defizits, übrigens auch keine Folge der Erbsünde", sagte Dieser.

Helmut Dieser / © Julia Steinbrecht (KNA)
Helmut Dieser / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Die Schöpfung sei vielfältig. "Und dann darf ich auch im Bereich der Sexualität eine Vielfalt annehmen, die von Gott gewollt ist und nicht gegen den Schöpferwillen verstößt." Auch darüber wolle er kommende Woche beim Besuch mehrerer Bischöfe in Rom mit dem Papst reden.

Persönlicher Blick auf Homosexualität geändert

Er selbst habe aber nicht immer so gedacht, räumte der Bischof ein. "Ich war lange der Meinung, Homosexualität sei eine Einschränkung in der männlichen oder weiblichen Identität." Aber vor allem bei jungen Menschen habe er gespürt, wie inakzeptabel das gewesen sei. "Und ich habe gelernt, dass solche Sichtweisen theologisch eben nicht zwingend sind."

Hinter Hetze gegen Homosexualität vermute er Ängste und ein Gefühl der Bedrohung, sagte der Theologe. "Aber hetzen über Menschen - das ist grundsätzlich gegen das Evangelium." Dessen höchster Wert sei stattdessen die Liebe und Annahme eines anderen Menschen um seiner selbst willen. "Kirche sagt auch homosexuellen Menschen: Gott nimmt dich an, wir nehmen dich an!" Darin sehe er keinerlei Werteverfall. "Im Gegenteil, es ist die Herausforderung unserer Zeit, dass unsere Kirche zeigt, dass sie inklusiv ist", erklärte Dieser.

Bischof Dieser trifft Papst

Vom 14. bis 18. November ist Dieser mit den anderen deutschen Bischöfen im Vatikan und bei Papst Franziskus. Der Aachener Bischof verteidigte den in der Kirche in Deutschland beschrittenen Synodalen Weg mit seinen Reformforderungen. "Der Synodale Weg ist ja eine Folge der Aufdeckung der Missbrauchsskandale. Und belastbare wissenschaftliche Studien zeigen, dass diese Skandale systemische Ursachen in der Kirche haben", sagte er.

Dieser wandte sich zugleich gegen "Hauruck-Lösungen" in der Kirche; sie brauche Zeit für Veränderungen. "Es geht ja bei unserem Synodalen Weg um geistliche Unterscheidung. Franziskus hat uns diese Unterscheidung selbst immer wieder gelehrt und uns dazu ermutigt", sagte er.

Die Bischöfe wollten dem Papst auch die Papiere vorlegen, die bei der Vollversammlung des Synodalen Wegs eine zu geringe Zustimmung der Bischöfe erhalten hatten. Ziel sei es, den Papst um eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre zu bitten. Rom müsse auf die Vorschläge und Anregungen der katholischen Kirche in Deutschland reagieren, forderte der Bischof mit Blick darauf, dass der Vatikan in den 70er Jahren Reformvorschläge der katholischen Bistümer Westdeutschlands einfach ignoriert hatte.

So wie damals dürfe es diesmal nicht laufen, forderte Dieser. "Das wäre ein Versagen der Autorität in der Kirche. Wir dürfen die Stimme des Volkes Gottes nicht ignorieren. Und wenn Reformen zu spät kommen, ist das schlimmer, als dass sie kommen."

Quelle:
epd , KNA
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