Abraham-Geiger-Kolleg-Gründer Homolka weist Vorwürfe zurück

Uni sieht Machtmissbrauch

Eine von der Universität Potsdam beauftragte unabhängige Untersuchungskommission sieht den Vorwurf des Machtmissbrauchs am Abraham-Geiger-Kolleg teilweise bestätigt. Gründer Rabbiner Homolka weist alle Vorwürfe weiterhin zurück.

Autor/in:
Nina Schmedding und Leticia Witte
Bibliothek der Abraham-Geiger-Kolleg / © Markus Nowak (KNA)
Bibliothek der Abraham-Geiger-Kolleg / © Markus Nowak ( KNA )

Eine Untersuchung der Universität Potsdam hat Vorwürfe gegen den Gründer des Abraham-Geiger-Kollegs (AGK), Rabbiner Walter Homolka, in Teilen bestätigt. Dies bezieht sich auf "Vorwürfe des Machtmissbrauchs", nicht aber auf "Vorwürfe der Duldung sexuell belästigenden Verhaltens seitens seines Lebenspartners", wie die Uni am Mittwoch mitteilte. Homolka selbst wehrt sich weiter gegen alle Vorwürfe. Diese hatten bundesweit und auch im Ausland Entsetzen hervorgerufen und auch Rücktrittsforderungen an die Adresse des prominenten Rabbiners.

Der vorgestellte Bericht nimmt die Folgen des Falls für die akademischen Einrichtungen in den Blick. Zum Jahresende wird eine Gesamt-Untersuchung des Zentralrats der Juden in Deutschland erwartet, mit der die Kölner Kanzlei Gercke Wollschläger beauftragt worden war. Sie untersucht auch weitere Einrichtungen, in denen Homolka hohe Ämter übernommen hatte.

Rabbiner Walter Homolka / © Harald Oppitz (KNA)
Rabbiner Walter Homolka / © Harald Oppitz ( KNA )

Keine straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen

Uni-Präsident Oliver Günther sagte am Mittwoch, bisher ergäben sich "keine straf- oder zivilrechtlichen Konsequenzen und insofern auch keine beamtenrechtlichen". Homolka sei seit 1. Oktober wieder ordentlicher Professor im Dienst der Universität. Er habe aber im Wintersemester ein Forschungsfreisemester beantragt.

Die teilweise bestätigten Vorwürfe beziehen sich der Untersuchung zufolge auf "die Vorwürfe des Machtmissbrauchs" gegenüber Homolka "auf Grund seiner Ämterhäufung und intransparenter Strukturen der Studien- und Arbeitsverhältnisse in der School of Jewish Theology".

Viele der Befragten hätten angegeben, dass er "ein Klima der Angst" geschaffen habe, "das sich auf das Handeln von Studierenden und von Mitarbeitern einschränkend ausgewirkt habe".

Wissenschaftliches Fehlverhalten "nicht abschließend geprüft"

Nicht bestätigt hätten sich "die Vorwürfe der Duldung sexuell belästigenden Verhaltens seitens seines Lebenspartners". Zudem habe der Vorwurf des wissenschaftlichen Fehlverhaltens "nicht abschließend geprüft werden" können. An dieser Problematik werde gearbeitet, so Uni-Präsident Oliver Günther.

In dem Bericht geht es auf 20 Seiten um "Vorwürfe der sexualisierten Diskriminierung, des Machtmissbrauchs und des wissenschaftlichen Fehlverhaltens im Institut für Jüdische Theologie". Die Uni hatte vor einem halben Jahr eine Untersuchungskommission mit fünf Mitgliedern eingesetzt. Vorsitzende war die zentrale Gleichstellungsbeauftragte Christina Wolff. Das Gremium wertete nach Angaben der Uni Protokolle, Gespräche und Verträge aus.

Das Kolleg will künftig auf mehr Transparenz und Kontrolle setzen und könnte laut Interimsdirektorin Gabriele Thöne in eine "unabhängige Ausbildungsstiftung" umgewandelt werden. Entscheidend sei, "dass wesentliche Entscheidungen von transparent zusammengesetzten Gremien getroffen, begleitet und in ihrer Umsetzung kontrolliert werden".

Homolka: Machtgebrauch ist nicht schon Machtmissbrauch

Das AGK bildet seit 2001 als An-Institut der Universität Potsdam liberale Rabbinerinnen und Rabbiner, Kantorinnen und Kantoren aus. Es war das erste Rabbinerseminar in Zentraleuropa nach der Schoah. Das Kolleg ist für die religiöse Ausbildung zuständig. Die School of Jewish Theology gehört zur Philosophischen Fakultät der Uni und kümmert sich um die akademische Ausbildung.

Homolka sagte der "Zeit" (Donnerstag), er sei "kein Vertuscher und kein Belästiger". Mit Blick auf seine Leitungsfunktion erklärte er: "Ja, ich war Chef und hatte Macht. Doch Machtgebrauch ist nicht schon Machtmissbrauch." Über Karrieren habe er niemals alleine entschieden, das seien stets Gremien gewesen. Homolka räumte ein, dass deren Strukturen "vielleicht nicht ideal" gewesen seien. Und: "Was mein Partner getan hat, war grundfalsch."

Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte Homolka, Religionsgemeinschaften müssten die Hoheit über die Auswahl ihres Personals ausüben können. Der "komplexe Prozess" der Vorbereitung auf das rabbinische Amt beinhalte bereits "die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende nicht all die erfolgreich sein können, die diesen Ausbildungsweg angetreten haben".

Die Allgemeine Rabbinerkonferenz Deutschland, zu der Homolka gehört, bezeichnete es als "entscheidend", dass bestimmte Vorwürfe laut Untersuchung ausgeräumt worden seien. Sie begrüße, "dass das Kolleg in seiner rechtlichen Verankerung neu aufgestellt" werde: "Dazu wird auch die Schaffung einer Kommission gehören, die über Zulassung und Relegationen zur Ordination unabhängig entscheidet."

Die Union progressiver Juden in Deutschland (UpJ) erklärte, sie nehme die Anregungen der Universitätskommission ernst. "Es geht um die richtige Balance zwischen akademischer Freiheit und unserem Selbstbestimmungsrecht als religiöser Körperschaft, unser geistliches Personal auszuwählen" Homolka ist Vorstandsvorsitzender der UpJ, lässt derzeit aber dieses Amt wie andere Ämter auch ruhen. Aus Sicht der Stiftung Liberales Judentum Hannover kann nun zu einer "sachlichen Diskussion über die Standards in der Rabbiner- und Kantorenausbildung" übergegangen werden.

Der Zentralrat der Juden hatte Ende September mitgeteilt, dass die Kanzlei bisher rund 75 Interviews geführt habe. Die Befragten gehören demnach dem Abraham-Geiger-Kolleg, der Leo-Baeck-Foundation, dem Zacharias-Frankel-College, dem Ernst-Ludwig-Ehrlich Studienwerk, der Union progressiver Juden und der Allgemeinen Rabbinerkonferenz an.

Der Untersuchungsauftrag sei auf die School of Jewish Theology an der Uni Potsdam ausgeweitet worden.

 

Quelle:
KNA