KNA: Sie stammen aus Paderborn und leben seit 2001 als Mönch in Himmerod. Seit 2014 amtieren Sie als 56. und nun letzter Abt des Klosters. Jetzt haben Sie sich eine Woche lang mit anderen Äbtissinnen und Äbten der Mehrerauer Zisterzienserkongregation beraten. Was haben Sie in Bezug auf Himmerod beschlossen?
Abt Johannes Müller: Die Ordensleitung der Zisterzienser hat die Abtei Himmerod schon im Mai besucht und uns darum gegeben, dass wir aufgrund der angespannten Lage über eine Auflösung des Konvents nachdenken. Das haben wir getan. Gemeinschaftlich und in innerer Ruhe haben wir Mönche entschieden, diesem Weg zuzustimmen. Die höchste Instanz der Mehrerauer Kongregation ist das Kongregationskapitel. Es hat nun nach intensiven Beratungen entschieden, den Konvent aufzulösen.
KNA: Haben Sie keine Alternative gesehen?
Abt Johannes: Es war angesichts einer Tradition, die 900 Jahre zurückreicht, eine schwere Entscheidung. Nach dem abgewendeten Insolvenzverfahren vor sechs Jahren haben uns der Förderverein und viele Menschen unterstützt. Aber es wurde wirtschaftlich immer schwieriger, eine so große Immobilie mit immer weniger Mönchen zu erhalten.
KNA: Wie viele Mönche leben derzeit noch in Himmerod und wie viele Mitarbeiter arbeiten hier?
Abt Johannes: Vor sechs Jahren waren es noch zehn Mönche. Jetzt sind es fünf Mönche auf Lebenszeit und ein weiterer, der ein zeitliches Gelübde abgelegt hat. In diesem Jahr sind zwei Mitbrüder gestorben, darunter Altabt Bruno Fromme. Wir haben allein in der Küche der Gaststätte vier festangestellte Mitarbeiter, zwei in der Klosterküche, drei in der Haustechnik, eine in der Verwaltung. Dazu kommen Aushilfen und Minijobber. Insgesamt stehen etwa 30 Leute bei uns in einem Anstellungsverhältnis.
KNA: Wie viele Mitglieder braucht eine Abtei Ihrer Ansicht nach, um lebensfähig zu sein?
Abt Johannes: Ein Kloster kann auch mit wenigen Mitgliedern überleben. Ich habe immer gesagt, wenn man vier, fünf Leute hat, die zusammenhalten und das gemeinsam wollen, geht ganz viel. Aber das setzt voraus, dass man an einem Strang zieht und Hand in Hand an einem gemeinsamen Werk arbeitet. Mit nur fünf Mönchen ist es aber nicht möglich, das Geld zu erwirtschaften, das notwendig ist, um den Investitionsstau aufzulösen. Unabhängig von der Lebensfähigkeit der Gemeinschaft war mir schon lange klar, dass wir die große Immobilie nicht halten können.
KNA: Wie geht es für die Beschäftigten weiter?
Abt Johannes: Ich halte es für sehr wichtig, zwei Dinge auseinanderzuhalten: die Auflösung des Konventes, also der Niederlassung unseres Ordens, und die Schließung von Himmerod. Ich gehe überhaupt nicht davon aus, dass das Haus geschlossen wird. Das sind zwei Paar Schuhe. Nach unserer Satzung fällt der Besitz nach der Auflösung des Konvents an das Bistum Trier. Wir werden in den nächsten Wochen alles für einen reibungslosen Übergang tun und zusammen mit dem Bistum nach tragfähigen Lösungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter suchen.
KNA: Was macht man mit so einer Liegenschaft? Zum Wellnesshotel umbauen?
Abt Johannes: Beim Bistum Trier ist das Kloster in guten Händen, weil wohl sicher kein Wellnesshotel draus wird. Das Bistum hat immer sehr deutlich gemacht, dass es großes Interesse an Himmerod als einem geistlichen Zentrum hat. Auch angesichts der Zusammenlegung von Pfarreien könnte Himmerod noch mal eine größere Bedeutung bekommen. Aber in welcher Form das gestaltet wird, das bestimmt das Bistum.
KNA: Könnten dann auch weiterhin Mönche vor Ort in Himmerod wirken?
Abt Johannes: Die jetzigen Mitbrüder des Konvents können in ein anderes Kloster ihrer Wahl übersiedeln. Es könnte sein, dass in der Zukunft andere Mönche oder Ordensleute hierherkommen. Vereinzelt gibt es ja Neuanfänge von neuen Ordensgemeinschaften, aber das ist die große Ausnahme - damit wird man auch nicht alle aufgelösten Klöster retten können. Aber das wäre sicherlich im Sinne der Seele von Himmerod. Nur ein Tagungshaus, das wäre sicherlich zu wenig, außerdem verfügt das Bistum bereits über genügend Tagungshäuser. Ich glaube jedenfalls, dass dieser spirituelle Ort Himmerod eine Zukunft hat.
KNA: Was wird aus den Wirtschaftsbetrieben?
Abt Johannes: Die Wirtschaftsbetriebe sind weitgehend verpachtet, etwa die Buchhandlung, die Gärtnerei, die Fischerei. Vielleicht wird man weitere Pächter finden können. Mit der Kirchenrenovierung gibt es kein Finanzierungsproblem; im Juli hat es dort ja gebrannt, die bis Frühjahr 2018 laufende Renovierung ist aber ein Versicherungsfall.
Ein Problem ist für uns der Gästebereich. Als der Konvent immer kleiner wurde - vor vierzig Jahren hatten wir noch etwa 30 Mitbrüder - wurden immer mehr Bereiche dem Gästetrakt dazugeschlagen. Derzeit sind es etwa hundert Betten. Bei einer Belegung von rund 30 Prozent können wir das nicht stemmen, das ist defizitär.
KNA: Wo sehen Sie angesichts von Überalterung und Mitgliederschwund Perspektiven für das Ordensleben in Europa?
Abt Johannes: Der Niedergang des Ordenslebens ist eindeutig. Der Limburger Bischof Georg Bätzing hat gesagt: Die Volkskirche stirbt nicht, sie ist längst tot. Das Ordensleben ist zwar nicht tot, aber die Weise, in der es gelebt wurde, ist längst am Ende. Früher wurde es von der Gesellschaft hoch geschätzt, wenn man ins Kloster ging. Das hat sich so massiv geändert, heute gilt man als verrückt, wenn man das macht. Es gibt kaum noch Neueintritte von Jüngeren in Deutschland.
KNA: Das sind düstere Perspektiven.
Abt Johannes: Ja, aber wenn man durch den Torbogen von Himmerod schreitet, kommt man in eine andere Welt. Die Mauern haben diese Geschichte gespeichert. Ich sage mal: Wir kriegen diesen besonderen Ort nicht kaputt gemacht, der immer ein Anziehungspunkt war. Ich bin sicher: Es werden nach wie vor viele Menschen kommen.
Das Interview führte Michael Merten.